Internationales

Kein Ausweg

Der reiche Norden zeigt wenig Neigung, die Schuldknechtschaft des Südens aufzuheben

Die letzten beiden Jahre sahen eine beachtlich internationale Mobilisierung gegen die drückenden Schulden der Länder des Südens. Streichung aller nicht zahlbaren Schulden war die verbindende Forderung des Netzwerks Jubilee 2000. Im Süden ging man weiter: Alle Schulden bedingungslos streichen fordern dort viele Initiativen. Großedemonstrationen zu den G7-Treffen 1999 in Köln und 2000 auf Okinawa waren die Hähepunkte der Kampagne. Doch am Ziel ist man noch lange nicht, wie jüngst das Beispiel Kamerun zeigte.

Kamerun soll einen Teil seiner Auslandsschuld erlassen bekommen. Darauf einigten sich kürzlich die im Pariser Club versammelten Gläubigerstaaten. Die Teilentschuldung wird im Rahmen der so genannten HIPC-Initiative abgewickelt, die 1996 von der Weltbank gestartet wurde. Sie soll nach Aussagen ihrer Urheber bei Erfüllung bestimmter Auflagen dazu dienen, die Verbindlichkeiten der hochverschuldeten ärmsten Länder (highly indebted poor countries) auf "ein erträgliches Maß" zu reduzieren. Als Antwort auf Jubilee-Kampagne zur, hatten die G7 Staaten auf ihrem Gipfel in Köln vor knapp zwei Jahren Entgegenkommen simuliert und das HIPC-Programm um einige Milliarden aufgestockt. Vollkommen unzureichend sagen viele Kritiker. Ein jüngstes Beispiel dafür ist Kamerun.

874 Mio. US$ wurden dem zentralafrikanischen Land von den hauptsächlich europäischen Staaten erlassen, immerhin rund 11% der insgesamt 7,8 Mrd. US$ Schulden, die es 1999 im Ausland hatte. Wie die meisten der ärmeren Entwicklungsländer ist Kamerun fast ausschließlich bei anderen Staaten bzw. bei internationalen Institutionen wie der Weltbank verschuldet. Bei den Privat-Banken hat es längst seine Kreditwürdigkeit verloren. Auf weitere Forderungen in Höhe von 1,1 Mrd. US$ sollen andere Gläubiger verzichten, und zwar hauptsächlich Weltbank, Währungsfond und Afrikanische Entwicklungsbank.

Das hört sich zunächst wie eine erhebliche Erleichterung an, und tatsächlich vermindert sich der jährliche Schuldendienst zunächst um fast ein Drittel auf 226 Mio. US$ im Jahr 2002. Das ist allerdings auch darauf zurückzuführen, dass der Pariser Club zusätzlich eine Stundung eines Teils der verbleibenden Schulden beschlossen hat. Bei genauerem Hinsehen wird allerdings deutlich, was unter "erträglichem Schuldenmaß" verstanden wird. Die Weltbank rechnet damit, dass schon im Jahre 2004 der jährliche Schuldendienst wieder auf 328 Mio. US$ geklettert sein wird, was etwas über der derzeitigen Höhe liegen würde. Kamerun wird gezwungen sein, Kredite in mindestens der gleichen Höhe aufzunehmen. Von einem Ausgang aus der Schuldenfalle kann also bisher nicht die Rede sein.

Das Ausmaß des fortgesetzten Aderlasses wird es deutlich, wenn man den Schuldendienst mit einigen volkswirtschaftlichen Grunddaten vergleicht. Kamerun hat ein Bruttoinlandsprodukt von knapp 9 Mrd. US$. Nach Informationen der Weltbank gibt es derzeit im Jahr 210 Mio. US$ für Bildung und 80 Mio. US$ für den Gesundheit aus. Insgesamt also weniger, als in die Kassen der Gläubigerstaaten und der Weltbank fließen. Besonders dramatisch sind die Zahlen angesichts der 937000 Menschen, die HIV-positiv sind. Fast jeder zehnte Erwachsene trägt den Aids-Virus in sich. Angesichts der lächerlich geringen Ausgaben für das Gesundheitswesen - nur sechs US$ pro Einwohner und Jahr - ist der baldige Tod nach Ausbruch der akuten Erkrankung gewiss.

Aktivisten aus den sozialen Bewegungen beklagen das halbherzige Programm denn auch bitter: "Die HIPC-Initiative reicht nicht aus. Im Lichte eines nie zuvor erreichten Schuldenbergs, der auch in zwölf Jahren Strukturanpassungsprogrammen immer weiter angewachsen ist, wird sie nicht in der Lage sein, die Armut zu bekämpfen", meint Géorgine Kengne Djeutane von Jubilee 2000 Kamerun. "Einmal mehr ignorieren Währungsfonds und Weltbank unerbittlich die eigentlichen Probleme, während sie gleichzeitig versuchen [durch die so genannten Armutsbekämpfungsprogramme] uns zu spalten und ihre ungerechte Politik der Ausbeutung durchzusetzen."

Wie auch viele andere Entwicklungsländer ist Kamerun hauptsächlich bei den EU-Staaten verschuldet, und zwar vor allem bei Frankreich (1,955 Mrd. US$) und Deutschland (1,41 Mrd. US$). Die Angaben der Weltbank beziehen sich auf den Sommer 1999, also beinhalten den jüngsten Erlass noch nicht. Kurz vor der Tagung des Pariser Clubs hatte Frankreich "die sofortige und totale Streichung" der Schulden versprochen, bisher allerdings noch keine konkreten Schritte unternommen.

(wop)

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