KERNspalte

Ist das nicht schön, wie unschuldig der Trittin tun kann? Wenn er statt Fischer in den USA gewesen wäre, hätte er zu den Bomben auf Irak nicht gesagt: "Das haben wir nicht zu kritisieren." Sondern, wer jetzt gegen die Bomben ist, verzögert den Ausstieg aus der Destabilisierung des Nahen Ostens, oder so ähnlich. Tatsächlich hat er ja argumentiert, wer gegen die geheimen Atommülltransporte von Fertigungsresten aus der Hanauer Brennelementefabrik sei, verhindere den vorgezogenen Atomausstieg in Hanau. Außerdem sei das kein Atommüll gewesen (auch wenn der Direktor des stillgelegten Karlsruher Forschungsreaktors, Rupar, das anders sieht), und geheim sei das auch nicht gewesen, weil das BfS diese nach "einem viel beachteten Verfahren" genehmigt hätte (was neben den eigenen ParteigenossInnen und den übrigen Parlamentsfraktionen auch die französische WAA-Betreiberin Cogema anders sah). Zufrieden mit sich selbst wird er bemerkt haben, daß der Anteil erneuerbarer Energien an der Gesamtstromproduktion von 6 auf 7% gestiegen ist.

Nicht zufrieden mit Trittin waren am 18.02. jedenfalls ca. 1000 AKW-GegnerInnen in Ahaus. Auch einzelne Kreisverbände der Grünen hatten zu dem "gemäßigten" Protest aufgerufen. Eine Woche später beim Schienenaktionstag in Dahlenburg waren es noch einmal so viele. Rebecca Harms vom niedersächsischen Landesverband spurt auch nicht richtig. Und zu einem gemeinsamen Gespräch mit Umweltverbänden erschienen außer Trittin nur der NABU und der DNR. Greenpeace, BUND und alle anderen Gruppen waren dem Gespräch wegen absehbarer Sinnlosigkeit ferngeblieben. Doch auch die letzten Teilnehmer am Runden Tisch vermochten keinen Konsens über das Verhalten zu Castor-Transporten mit dem Umweltminister zu erzielen. Bedauerlicherweise ließ sich NABU-Präsident Flasbarth zu einer völlig sinnlosen und gefährlichen Distanzierung hinreißen: Er diskreditierte die Sägeaktion an der Bahnstrecke Lüneburg-Dannenberg als "völlig sinnlose und gefährliche Gewalt". Bestimmte Elemente in der Bundesregierung hatten ihn am Vortag dazu ermuntert, indem sie die Vokabeln "feige", "kriminell", "rücksichtslos" gebrauchten - nicht für ihre Autobiographie oder die Betreiber der Atomanlagen, sondern für die "Attentäter", obwohl die mit Absperrband und Anrufen - erfolgreich - alles unternommen hatten, damit niemand zu Schaden komme. Schily drohte gar mit der "ganzen Härte des Rechtsstaates". Die Bahnstrecke wurde am Mo, den 19.02., wieder in Betrieb genommen werden.

Niedersachsens Innenminister Bartling verbreitete tiefschürfende Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, wonach mit weiteren Anschlägen gerechnet werden müsse, von denen sich die friedlichen Demonstranten natürlich distanzieren sollten. Für eine Festnahme in der Castorwoche solle nach seiner Auffassung ausreichen, wenn sich jemand nicht von militanten Atomkraftgegnern fern halte. Bartling rechnet damit, daß 15.000 Widerständler 6 Glaskokillen-Behältern und knapp 30.000 Polizisten (mehr als beim letzten Mal) gegenüberstehen werden.

Immerhin sollen die Festgenommenen nun nicht mehr in den berüchtigten Stahlkäfigen untergebracht werden - die wurden wieder weggeschafft -, stattdessen winkt die Polizei mit 130 "Konfliktmanagern". Hauptaufgabe dieser hochqualifizierten Spezialbeamten wird das Verteilen von Flugblättern mit der Parole "Protest ja - Gewalt nein" sein (am Wochenende in Dahlenburg war die neue Gangart anscheinend noch nicht verinnerlicht worden - spontanes Verprügeln von Schienenspaziergängern konnte man ja kaum als Protest verstehen, statt Konfliktberatung gab es 4 Festnahmen). Unterstützt werden sie von Hamburgs Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller, die der Polizei einen vermittelnden Einsatz von Grünen-Politikern beim Atommüll-Transport angeboten hat, wie sie - passend - die BILD-Zeitung wissen ließ. Da sie selbst Blockaden zu "Gewalt" rechnet und auch die Proteste nicht für richtig hält, wäre es vielleicht besser, wenn die Polizei zwischen ihr und den DemonstrantInnen vermittelt. Ministerpräsident Gabriel äußerte inzwischen Verständnis für die "friedlichen" Proteste und verlangte, daß ein anderer Endlagerstandort gefunden werde, denn Gorleben sei "nicht geeignet".

Globale Atome: Das amerikanische Unternehmen Westinghouse, das ja schon in Temelin so erfolgreich war, soll das bulgarische AKW Koslodui für 76 Mio. $ modernisieren. Betroffen sind allerdings nur die zwei jüngsten von 6 Reaktoren. Zwei weitere stehen vor der Stillegung, die anderen sollen so weitermachen wie bisher.

Österreichs AKW-Gegner versuchen, mit einem US-Staranwalt gegen das tschechische AKW Temelin vorzugehen. Bisher erschöpfte sich Ed Fagan in wüsten Drohungen, wenn bis 20. März keine Unterlagen für die Sicherheit vorgelegt würden, dann werde die Welt wissen, "dass Sie schwindeln". Vermutlich weiß die Welt das auch schon vorher, und ein paar Papierzettel werden an dem Desaster des Probebetriebs kaum etwas ändern. Der soll in diesen Tagen nach gut 5-wöchigem Stillstand wieder aufgenommen werden, die defekte Turbine sei repariert, so die CEZ. Bleiben wir in Tschechien: Die EU-Kommission genehmigt die gemeinsame Übernahme der tschechischen EVUs Jihoceska energetika AS und Jihomoravska energetika AS durch E.ON und die Energie Oberösterreich AG. Dafür treten E.ON und RWE ihren 82%-Anteil an der ostdeutschen Veag an die HEW (also Vattenfall) ab. Das Bundeskartellamt muß noch zustimmen.

In der WAA Sellafield hat es erneut einen schweren Störfall gegeben. Am 26. Januar setzte die Lüftung für mehrere Behälter mit flüssigen, hoch radioaktiven Abfällen für mehrere Stunden aus, wodurch die Konzentration explosiver Gase enorm anstieg, bevor Arbeiter auf die Warnsignale reagierten. Der flüssige Strahlenmüll enthält rund 30mal mehr radioaktives Caesium137 als im Kern des Unglücksreaktors von Tschernobyl enthalten war. Noch drei Tage zuvor hatte Trittin die Genehmigung von Transporten aus Neckarwestheim nach Sellafield in einem Schreiben an Greenpeace mit dem Hinweis kommentiert, er verlasse sich auf die dortigen Sicherheitsvorkehrungen.

Proteste hat es in Sydney gegeben, als über 300 abgebrannte australische Brennelemente aus Lucas Heights auf einen Frachter verladen wurden, der sie inzwischen nach Frankreich zur Wiederaufarbeitung brachte. Greenpeace berichtet von einigen hundert Demonstranten, von denen sich mehrere angekettet hatten und sieben verhaftet wurden. Lucas Heights ist Australiens einziger Atomreaktor und soll bald durch einen Neubau ersetzt werden.

Proteste gab’s auch am 19.02. in Moskau, und zwar gegen den russischen Gesetzentwurf zur planmäßgen und vorsätzlichen Einfuhr von Atommüll zur Wiederaufarbeitung und Lagerung. Igor Artemjew (Jabloko-Fraktion) bezeichnete den Entwurf als "nationale Schande".

(BG)

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