Grüße vom Kuckuck

Lieber Bruno Levtzow,

das hätte selbst einem Kuckuck fast die Sprache verschlagen. Was, um Himmels Willen, gibt es daran zu feiern? Nun hoffe ich für Euch, dass der Plan, den 100. Jahrestag der Eingemeindung der Landgemeinde Gaarden in die Stadt Kiel mit einem Fest zu feiern, nicht auf dem Mist des Ortsbeirates gewachsen ist. Und weil ich sicher bin, dass auch die Gaardener Bevölkerung Euch dazu nicht engeregt hat, ist es wohl so, wie der Artikel in den KN vom 22.2.2001 vermuten lässt: Der Oberbefehlshaber der Landeshauptstadt Kiel hat persönlich verfügt, dass der Stadtteil sein 100jähriges Jubiläum zu feiern habe. Das natürlich "angemessen" (...), "ohne den städtischen Haushalt zu sehr zu belasten". Das Letztere zumindest ist in Gaarden hinlänglich bekannt, und die bisherigen Planungen lassen das Übliche befürchten. Nun gut, die Gaardener Bevölkerung wird’s, wie alles andere auch, überleben und weiterhin das tun, was sie am besten kann, sich laut und öffentlich gegenseitig auf den Geist gehen.

Du, lieber Bruno, wirst in dem besagten Artikel mit dem anrührenden Wunsch zitiert, "dass wir (dabei auch) die Geschichte ins Bewusstsein rufen" sollten. Du kannst Dir vorstellen, dass auch ich es, zumindest für die Ausübung einiger Tätigkeiten, für durchaus angebracht halte, über einige Geschichtskenntnisse zu verfügen. Diese hätten vielleicht den KN-Redakteur (oder ist es eine Redakteurin?) mit dem Kürzel "dt" vor der Behauptung bewahrt, dass die "Häuserzeile an der Westseite (abgebildet ist eine Postkarte, die die Elisabethstraße um 1908 vom Karlstal aus gesehen zeigt) 1982 wegen des schlechten Zustands abgerissen" wurde. Ich will keine dreiste Absicht unterstellen, wohl aber die herrschende Schludrigkeit, Ignoranz und Dummheit beklagen. Denn abgerissen wurde natürlich nicht dieses schöne, intakte Häuserensemble, sondern das, was von den Verwüstungen des zweiten großen Krieges des letzten Jahrhunderts übrig geblieben war: sieben schiefe, notdürftig hergerichtete Häuser, bewohnbar nur noch für eine befristete Zeit.

Vor mir liegen zwei Luftbildaufnahmen der englischen Armee. Die eine vom 7. Juli 1944. Das Ostufer, Rüstungsschmiede der deutschen Industrie, Zielobjekt: Krupps Germania Werft, Deutsche Werke, Marine Arsenal, Howaldts-Werke und ihre Zulieferer reihen sich von der Hörn bis zur Schwentinemündung aneinander. Die andere vom 4. April 1945: Trümmerfeld Ostufer, auf dem die Kinder in der Nachkriegszeit wie ausgesetzte Hunde hungrig, verwahrlost und gefährdet umhergestreunt sind.

Meinst Du zum Beispiel das, was Du in Erinnerung gerufen haben willst? Wenn ja, dann sollten Du und der Ortsbeirat schleunigst alle Planungen für ein Jubiläum abbrechen. Der Grund für die Eingemeindung Gaardens, das Hinterland für die Rüstungsindustrie des Deutschen Reiches zu liefern (einige Straßennamen in Gaarden verweisen noch heute auf Kriegsschiffe, die auf den Kaiserlichen Werften gebaut und auf denen im 1. Weltkrieg für einen Wahn krepiert worden ist) verdient es nämlich nicht, gefeiert zu werden. Es sei denn, man ist noch heute stolz auf diese militaristische Tradition und hält ihre Fortsetzung für einen Segen für diese Stadt. Davon soll es ja, wie Du weißt, nicht wenige geben.

Es grüßt Dich, Dein Kuckuck

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