Aus dem Kieler Rat

Rat hält an Militär-Standort fest

"In Wohl und Wehe mit der Marine verbunden"

Vom Gebäude der Wehrbereichsverwaltung (WBV) in der Wik hingen Trauerfahnen, sobald aus dem Verteidigungsministerium durchgesickert war, dass im Rahmen der Standortreduzierung die WBV, zuständig für Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, zur Außenstelle der WBV in Hannover (die dann zusätzlich für Niedersachsen und Bremen zuständig ist) "degradiert" wird. Einen Tag vor "Verteidigungsminister" Scharpings endgültiger Entscheidung am 16.2. entsprechend auch Alarm in der Ratsversammlung. In trauter Eintracht aller Fraktionen verabschiedete man eine Resolution, die sofort per Fax ans BMVg und den Kanzler ging: Die WBV solle bleiben und um die Zuständigkeit für Niedersachsen und Bremen erweitert werden. Dafür spreche u.a.: "die Lage der WBV ... am Nord-Ostsee-Kanal in unmittelbarer Nähe des Marinestützpunktes und NATO-Hafens."

Kiel habe "weit überproportional unter dem Strukturwandel der Bundeswehr gelitten", meinte der CDU-Fraktionschef Arne Wulff. Dabei sei Kiel doch "ein gutes Pflaster für die WBV". 27 Mio. DM seien in die Erneuerung der Liegenschaft gesteckt worden, die schreibe das BMVg nun in den Wind. Zusammen mit der WBV-Resolution wurde eine Resolution zur Bundeswehrstrukturreform diskutiert. In dieser, der CDU und SUK die Zustimmung verweigerten, begrüßten SPD und Grüne "aufgrund der sicherheitspolitischen Lage und den sich verändernden Anforderungen an die Bundeswehr deren Neuausrichtung". Kein Wort freilich davon, dass diese "Neuausrichtung" eine Umstrukturierung zur weltweit agierenden Interventionsarmee bedeutet, für die immer noch die "Verteidigungspolitischen Richtlinien" von 1992 gelten, wonach die Bundeswehr u.a. auch deutsche Wirtschaftsinteressen mit Waffengewalt in aller Welt durchsetzen soll.

Allein, für CDU und SUK war auch diese staatstragende Begrüßung der Strukturreform zu viel. "Es gibt glaubwürdige Aussagen, dass eine Reduzierung auf unter 300.000 Mann nicht hilfreich ist", so Arne Wulff. Und SUK-Chef Wolfgang Kottek sah in der Resolution zur Strukturreform eine "Aufweichung" früherer Resolutionen des Rats zum Erhalt des Marinestandorts Kiel. Zudem: "Die Bundeswehr hat völlig neue Aufgaben: Soldaten müssen ihr Leben für den Weltfrieden riskieren." Derartiger kabarettreifer Patriotismus ließ selbst einige CDU-Abgeordnete schmunzeln.

Auch Reserveoffizier und Marine-Fan Norbert Gansel wollte jedoch vom Kriegsspielzeug nicht lassen: "Wir sind in Wohl und Wehe mit der Marine verbunden", so seine pathetischen Worte. Das sei "wichtig für die Wirtschaft, aber nicht zuletzt auch für die Seele unserer Stadt". Von der Ratsversammlung wünsche er sich "ein Wort des Mitgefühls für die SoldatInnen, die jetzt versetzt werden". Kiel habe erheblich unter der Truppenreduzierung gelitten. Neben der WBV würden auch noch zwei Fregatten verlegt. Das halte er "für falsch, denn die östliche Ostsee bleibt eine Zone der Unsicherheit, man kann sich nicht nur auf den atlantischen Bereich konzentrieren", so der ehemalige "verteidigungspolitische" Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Nun dürfe Kiel nicht weiter Leidtragende von Standortreduzierungen sein. "Wir verlassen uns darauf, dass der zweite Einsatzgruppenversorger (EGV) in Kiel stationiert wird." (Anmerkung der Red.: Der erste EGV, die "Berlin", wurde letztes Jahr in Wilhelmshaven stationiert. Strategisch dienen die Versorgungsfahrzeuge zur logistischen Unterstützung von Out-of-area-Einsätzen der Bundeswehr, fügen sich also perfekt ins Konzept einer weltweit agierenden Interventionsarmee zur Durchsetzung deutscher Interessen mit Waffengewalt). Obwohl die Grünen die Resolution zum WBV-Erhalt in Kiel mittrügen, so Gansel weiter, habe er dennoch Zweifel an deren "überzeugendem Bekenntnis zur Bundeswehr". Das teilte Wolfgang Kottek. Er warf den Grünen vor: "Am liebsten würden Sie doch die Bundeswehr ganz abschaffen."

Das wiesen die Grünen vorsichtig von sich. "Wir begrüßen, dass weniger Geld für die Bundeswehr ausgegeben wird", sagte der grüne Fraktionsvorsitzende Lutz Oschmann. Es spreche jedoch viel für den Verbleib der WBV in Kiel, u.a. die Küstennähe und die "gute Verzahnung mit Mecklenburg-Vorpommern". Jetzt komme es aber darauf an, von der Bundesregierung Konversionsprogramme einzufordern. Selbst damit dürften die Grünen aber allein im Rat bleiben. Ihre Anträge zur zivil-militärischen Mischnutzung von Bundeswehrliegenschaften als erstem Schritt zur Konversion wurden im Rat in den letzten Jahren stets abgelehnt. Der Rat setzt mehrheitlich wie Gansel auf die "Marinestadt Kiel" und deren Stärkung durch die Stationierung des EGV in zwei Jahren. "Militärisch, sozial und wirtschaftlich" sei das "ein gutes Konzept", so der SPD-Ratsherr Bernd Vogelsang.

(jm)

LinX-Startseite