Ratssplitter

Privatisierung ist Trumpf. Zwar wird der stadteigene Abfallwirtschaftsbetrieb (ABK) vorerst nicht privatisiert, denn nachdem Ende letzten Jahres die Gutachter ihre Privatisierungsempfehlung "revidiert" hatten, meint nun auch Wirtschaftsdezernent Rethage: "Bei einer Nullnummer privatisieren wir nicht". Jedoch soll der ABK mit einem "Programm zur Kostenreduktion" fit gemacht werden für den Markt. Aufgeschoben ist also nicht aufgehoben. Denn auch bei einem der üblichen Anträge zur Prüfung von mehr Effizienz in der Verwaltung sah der CDU-Ratsherr Vieregge die Stadtverwaltung "auf dem, wenn auch langen, Weg von der Behörde zur Kiel AG".

Noch ist das Zukunftsmusik. Aber auch ohne Börsengang des Staates lassen sich das Arbeitstempo anziehen und die Arbeitsbedingungen "wirtschaftlicher", sprich arbeitnehmerunfreundlicher gestalten. Erstaunlich, wie sorglos dabei mit Prüfaufträgen im Rat umgegangen wird. Für die Frauenbeauftragte ist Telearbeit (am Computer zuhause, vernetzt mit dem Rechner am Arbeitsplatz) ein wichtiger Schritt, um Frauen mehr Möglichkeiten zur Erwerbsarbeit neben den Familienpflichten zu geben. Das mag ja sein. Aber schon verdächtig, wie CDU-Chef Wulff dem sofort zustimmt: "Telearbeit ist vor allem auch ein Beitrag zur Flexibilisierung der Teilzeitarbeit." Bei "Flexibilisierung" müssten eigentlich die Alarmglocken klingeln, denn in der Regel geht die auf Kosten der Arbeitnehmer. Im Rat klingelt aber nichts. Ein Versuch mit einigen wenigen Telearbeitern in der Kieler Verwaltung läuft bereits.

Sorglos ist man im Rat auch weiter in Sachen Umweltgiften. Die Grünen hatten vor einer Verseuchung ehemaliger Werftgelände mit dem Ultragift TBT gewarnt und eine Untersuchung der Böden beantragt. TBT (Tributylzinn) wurde in Anti-Fouling-Farben für Schiffsrümpfe verwendet und dabei auch in den Boden von Werftgeländen eingespült. Inzwischen sind TBT-Farben EU-weit verboten, aber was ist mit den Altlasten? Konrad Wetzel (SPD) sah hier keine Gefahr. "In Hamburg wird Material mit einem viel höheren TBT-Anteil sogar verklappt, bei uns werden solche Böden versiegelt." Mal nachmessen, wieviel TBT denn drin ist im "versiegelten" Boden? Nö, zu teuer, brauchen wir nicht. Was ungefährlich ist, beschließt der Rat, bzw. überwies den grünen Antrag in den Umweltausschuss.

Nochmal Privatisierung. Beim VVK (Versorgung und Verkehr Kiel, nach dem Teilverkauf der Stadtwerke noch aus KVAG und SFK bestehend) rochen die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Lunte, als der eigentlich im Februar in Pension gehende Eckhard Sauerbaum noch bis Ende des Jahres weiter als Aufsichtsratsvorsitzender bestellt werden sollte. "Wir wollen keinen Chef auf Abruf", sagten die Arbeitnehmer und verweigerten die Zustimmung im Aufsichtsrat, weil sie in der befristeten Bestellung Sauerbaums eine Vorentscheidung für die Privatisierung der KVAG sahen. Keine ganz abwegige Vermutung, denn CDU-Fraktionschef Wulff machte deutlich, dass zumindest die CDU Versuchen der Belegschaft, im Gegenzug für die Bestellung von Sauerbaum eine Garantie für die KVAG zu bekommen, "eine klare Absage" erteilen werde. Inzwischen haben sich die Wogen etwas geglättet, indem man die Arbeitnehmer, so hieß es, davon überzeugt habe, dass es zu der "Interimslösung" der Wiederbestellung Sauerbaums bis zum Jahresende "keine Alternative" gebe. Eine endgültige Entscheidung fällt am 1.3. (nach Redaktionsschluss).

(jm)

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