Anti-EU-Treffen:

Linke uneinig über Haltung zur EU

Wenn man im Gefängnis sitzt, ist es manchmal angenehm, mehr Gesellschaft zu haben." Mit diesen drastischen Worten beschrieb Anfang März in Kopenhagen Anthony Coughlan aus Irland das Verhältnis der EU-Gegner und -Skeptiker zur Osterweiterung. Auf Einladung der dänischen Rot-Grünen Einheitsliste traf man sich am 3. und 4. März in der skandinavischen Metropole über die Perspektiven der Anti-EU-Bewegungen die sich in der dänischen Hauptstadt am Samstag und Sonntag trafen. Die Einheitsliste, ein inzwischen seit fast 12 Jahren existierender Zusammenschluss verschiedener kommunistischer und sozialistischer Organisationen, ist maßgeblich an der starken Anti-EU-Bewegung beim nördlichen Nachbarn beteiligt und konnte zuletzt im Referendum gegen den Euro, dessen Übernahme die Wähler im letzten Herbst ablehnten, einen beachtlichen Erfolg erzielen. Seit 1994 sitzt das kleine linke Bündnis, das längst zu einer eigenständigen Partei geworden ist, im dänischen Parlament. Bei den letzten Wahlen 1998 konnten 2,7% der Stimmen erzielt und fünf Sitze erobert werden.

Rund 180 Teilnehmer, die Mehrzahl davon aus dem europäischen Ausland, waren gekommen, um zwei Tage lang über "Europa nach Nizza" zu diskutieren. Einen breiten Raum nahm in den Debatten und Reden der EU-Erweiterungsprozess ein, und daher war es besonders erfreulich, dass zum ersten Mal auf einer derartigen Konferenz, auch die osteuropäischen Staaten zahlreich vertreten waren. Jonas Sjöstedt, Europaabgeordneter der schwedischen Linkspartei machte in seiner Eingangsrede klar, dass die skandinavische Linke den Bewerberstaaten nicht rät, der EU beizutreten, dass die Entscheidung darüber aber bei den betroffenen Bevölkerungen liegen müsse. Er forderte daher wie viele andere auch, dass Volksentscheide abgehalten werden.

Der bisherige Prozess zeige auf jeden Fall, dass es Augenwischerei sei, von einem europäischen Einigungsprozess zu sprechen. Den Anwärterländern bleibe nichts anderes über, als Tausende von EU-Verordnungen in nationale Gesetzgebung umzusetzen, was bereits seit Jahren läuft, ohne dass auf den Inhalt in Brüssel Einfluss genommen werden könnte.

Dafür, dass dieser einseitige Anpassungsprozess auch garantiert im Sinne der Auftraggeber funktioniert, sorgen die Lobbygruppen der westeuropäischen Industrie, wie Erik Wesselius aus Amsterdam zu berichten wusste. Teams des Europäischen Runden Tisches der Wirtschaft (ERT) würden regelmäßig in Abständen von ca. zwei Monaten durch die Hauptstädte Ostmitteleuropas touren, um die Regierungen einzunorden. Auf Treffen mit hochrangigen Beamten werden diese, so Wesselius, der mit seiner Gruppe dem Corporate Europe Observatory seit Jahren die Lobbyaktivitäten beobachtet, detailliert instruiert, wie die EU-Regularien in nationales Recht integriert werden müssen.

Für Uwe Hiksch, Bundestagsabgeordneter der PDS, war das dennoch eher ein Grund, der Stärkung der EU das Wort zu reden, um "das internationale Kapital zu bekämpfen". Denn, so hat er erfahren, die Deutsche Bank würde dem Bundestag nämlich sagen, wenn dieser nicht nach deren Pfeife tanze, würde sie Deutschland verlassen. Ähnliches will er von DaimlerChrysler gehört haben.

Weniger platt, aber dennoch ebenfalls eher pro-EU waren auch die Positionen der spanischen Vereinigten Linken und des griechischen Synapismos, einer Abspaltung von der dortigen KP. Es ginge darum, für ein soziales Europa zu kämpfen. Auch die meisten anwesenden Osteuropäer sahen wenig Möglichkeiten, gegen den Beitritt zur EU etwas Ausrichten zu können. Allein die estländischen Teilnehmer sahen eine gewisse Möglichkeit, mit einem Referendum den Beitritt zu Verhindern. Aus Polen, wo es einen wachsenden Unmut gegen die EU gibt, waren keine sozialen Bewegungen vertreten. Dort machen die billigen Importe aus der EU, für die Warschau längst die Grenzen hat öffnen müssen, vor allem den Landwirten zu schaffen.

Insgesamt wurde deutlich, dass die Positionen zur EU innerhalb der westeuropäischen Linken und der sozialen Parteien immer noch weit auseinandergehen. Für die Bewegungen in Skandinavien ist der Austritt aus der EU immer noch eine reale Perspektive, für die übrigens auch die anwesenden Norweger von der Roten Wahlallianz eintraten. Ihr Land ist zwar immer noch nicht Mitglied, gerät aber dennoch immer mehr unter den Einfluss der EU. Entsprechend stark wurde von den Skandinaviern die Rolle des Nationalstaats betont und das deutsch-französische Kerneuropa-Konzept kritisiert. Die Entwicklung laufe auf einen europäischen Superstaat hinaus, in dem die kleineren Staaten kaum noch Einfluss hätten.

In den Benelux-Staaten, Frankreich, Italien oder Deutschland stellt sich die Lage schon ganz anders da, nicht zuletzt wegen der großen gegenseitigen Durchdringung der Märkte. In Griechenland und Spanien kommt hinzu, dass dort für viele Linke in den letzten 20 Jahren die europäische Integration den Schutz vor erneuten Militärdiktaturen bedeutet hat.

(wop)

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