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Globalisierung:

Proteste auch in Mexiko

Kurz nach Redaktionsschluss der letzten LinX ging am 27.2. die mexikanische Polizei gewalttätig gegen Globalisierungsgegner vor. Rund 500 von ihnen protetstierten gegen eine amerikanische Regionalkonferenz des Weltwirtschaftsforums. Ebenso viele Banker, Politiker und Wirtschaftsvertreter aus 22 Ländern hatten sich in dem karibischen Städtchen Cancún für zwei Tage getroffen, um wirtschaftliche Probleme Lateinamerikas und vor allem Investitionsmöglichkeiten zu beraten. Die Veranstaltung ging auf eine Initiative des jährlich Ende Januar im Schweizer Davos tagenden Weltwirtschaftsforums zurück. Ähnliche Treffen wurden bereits auf anderen Kontinenten abgehalten oder sind noch geplant.

Eigentlich sollte es ja diesmal friedlich zugehen, nach dem in den letzten zwei Jahren Globalisierungsgegner von Seattle über Melbourne, Prag und Seoul bis Nizza mit massiver Polizeigewalt konfrontiert worden waren. "Bilder von Repression und knüppelschwingenden Polizisten wird es in Mexiko nicht geben", hatte der Chefkoordniator der Bundespolizei, Francisco Arellano, versprochen.

Es kam anders. 1600 Polizisten wurden aufgeboten, um das "Elitetreffen", wie es die Demonstranten nannten, zu schützen. Globalisierungsgegner aus verschiedenen amerikanischen Staaten und Europa hatten einen zweitägigen Gegenkongress veranstaltet. Zum Abschluss gab es eine Demonstration. Als einige der Teilnehmer an der Uferpromenade des exklusiven Badeortes aus Protest die Hose runter ließen, um ihr blankes Hinterteil zu zeigen, war das für die Polizei Grund genug, loszudreschen.

Auch Touristen und Journalisten sollen dabei reichlich abbekommen haben. Nach Angaben der Organisatoren der Proteste gab es 30 Verletzte und 68 Festnahmen. Die eingesetzte Militärpolizei habe auch nicht von ihren Angriffen abgelassen, als sich die Demonstranten bereits auf dem Rückzug befanden. Viel hatten aus Solidarität mit chiapatekischen Zapatisten, die vor kurzem zu einem Friedensmarsch nach Mexiko City aufgebrochen sind, deren Erkennungszeichen, d.h. schwarze Skimützen, getragen.

Mexikos konservativer Präsident hatte unterdessen auf einer Abschlussveranstaltung die inzwischen üblichen Floskeln zum Besten gegeben: Er wolle eine Globalisierung mit menschlichem Antlitz, verkündete er, kurz bevor es auf der Straße "Knüppel frei!" hieß. "Wir können nicht die Augen vor den Millionen Menschen verschließen, die mit einem Dollar pro Tag auskommen müssen", zitieren ihn die Agenturen. Offenbar hatte er es nicht einmal für nötig befunden, sich zu informieren: Nach UNO-Angaben sind es 1,2 Mrd. Menschen, die weniger als einen Dollar pro Tag haben. Weitere 1,6 Mrd. haben weniger als zwei Dollar pro Tag.

Am Rande der Konferenz hatte es auch einen öffentlichen Dialog zwischen Vertretern des Wirtschaftsforums und der sozialen Bewegungen gegeben. Allerdings sprach man unterschiedliche Sprachen: Während Venezuelas ehemaliger Präsident José María Figueres die Vorzüge der Globalisierung lobte und meinte, dass die Reichen zwar schrecklich reich seien, die Armut aber immerhin abnehmen würde, sah Gustavo Codas vom brasilianischen Gewerkschaftsdachverband CUT das vollkommen anders: Das vergangene Jahrzehnt der Globalisierung sei schlimmer gewesen, als das verlorene Jahrzehnt der 80er Jahre. Am Gespräch nahm auch Christophe Aguiton vom Euromarschnetzwerk teil.

Voller Ironie bewunderte der Soziologe und Gewerkschaftsaktivist Hector de la Cueva (siehe LinX 23/00) aus Mexiko City die Vielseitigkeit der Wirtschaftsvertreter: "Mit der einen Hand schaffen sie noch mehr Armut, mit der anderen schreiben sie Programme, um diese zu bekämpfen; und während sie noch davon sprechen, der Globalisierung ein menschliches Antlitz zu geben, wächst die Misere immer weiter."

(wop)

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