Internationales

Randnotiz

Endlich wissen wir es: In Afghanistan führen die Taliban ein unmenschliches Regime. Was jahrelanger Bürgerkrieg, hunderttausende Flüchtlinge, unzählige Tote sowie Berichte zahlreicher Menschenrechtsorganisationen nicht erreicht haben, wurde jetzt durch die Zerstörung vorislamischer Kunst möglich: Alle Welt blickt auf Afghanistan. Da ist von Barbarei, Entsetzen und Entrüstung die Rede. Da werden finanzielle Mittel aufgewandt, um das Kulturgut zu retten. Da fahren Delegationen ins Land, um das Schlimmste zu verhindern, und da häufen sich plötzlich kritische Berichte in Presse und Rundfunk und bisher seltene Filmaufnahmen sind im Fernsehen zugänglich. Selbst Amerika scheint erschreckt vor den Geistern, die es rief.

Für die in Deutschland lebenden Flüchtlinge aus Afghanistan muss das wie blanker Hohn wirken. Sie leben hier in ständiger Rechtsunsicherheit. Einige Wenige erhalten das so genannte "kleine Asyl", das ihnen zwar ein Bleiberecht nach der Genfer Flüchtlingskonvention verschafft, aber sie sozial, was z.B. Ausbildung, Beruf, Sozialleistungen angeht, schlechter stellt als Asylberechtigte. Die meisten aber verbleiben in jahrelangen Asylverfahren ohne Entscheidung und viele erhalten nur Duldungen, die einer vorläufigen Aussetzung der Abschiebung entsprechen, d.h. so lange bis ein Reiseweg gefunden ist. Das Bundesinnenministerium ist sogar der Auffassung, dass eine freiwillige Rückkehr möglich ist, visa-technisch. Warum jemand, der unter Strapazen vor diesem jetzt als "barbarisch" erkanntem Regime geflohen ist, freiwillig zurückgehen sollte, bleibt dabei unklar. Die Versagung der Anerkennung von Flüchtlingen aus Afghanistan als asylberechtigt, beruht bisher darauf, dass die Taliban nicht als Regierung anerkannt sind und daher eine nicht-staatliche Verfolgung vorliege, die in Deutschland im Unterschied zu anderen europäischen Ländern nicht asylrelevant ist. In letzter Zeit ist zwar in diese Auslegung durch zwei Urteile des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts Bewegung gekommen, aber noch hat sich für die Flüchtlinge wenig an ihrer Rechtssituation verändert.

Würden sich die politisch Verantwortlichen wirklich mit der Situation in Afghanistan auseinandersetzen und womöglich mit der Verantwortung der USA und West-Europas für das Erstarken der Taliban als Gegenmacht zur früheren sowjetisch beeinflussten Regierung, dürfte Asyl für Flüchtlinge aus Afghanistan keine Frage sein. Dass dem nicht so ist, verwundert nicht, aber wenn der Blick auf die Statuen vielleicht auch den Blick wenigsten einiger kritischer Geister auf die Gesamtlage in Afghanistan richtete, hätte die ganze Heuchelei wenigstens etwas gebracht.

(aw)

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