Neoliberalismus

Patente auf Leben?

Äußerst kritisch hatte sich im Dezember der Bundesrat zu einem Gesetzesvorhaben der Bundesregierung geäußert, das die Umsetzung einer Richtlinie zum Schutz biologischer Patente der EU-Kommission in deutsches Recht vorsieht. Nun hat das Bundesjustizministerium eine Antwort formuliert, die dieser Tage im Kabinett verabschiedet werden soll. Der Entwurf liegt der LinX vor.

Umweltschützer schlagen angesichts des Textes aus dem Hause Herta Däubler-Gmelins Alarm. Offensichtlich wolle die Justizministerin, heißt es in der Greenpeace-Zentrale in Hamburg, "die Patentierung von Menschen, Tieren, Pflanzen und ihren Genen trotz öffentlicher Ablehnung ohne Abstriche durchsetzen". Neben dem Bundesrat hatten sich auch die beiden großen Kirchen, der Bauernverband, Ärzteorganisationen und die Versammlung der Gesundheitsminister der Länder kritisch zum geplanten Gesetz bzw. der Kommissionsrichtlinie geäußert.

Die Brüsseler Richtlinie, kritisiert Christoph Then, Patentexperte bei Greenpeace, sei von der Biotechnik-Industrie und dem Europäischen Patentamt in München entworfen worden. Außerdem hätten Industrielobbyisten massiv die Diskussion im Brüsseler Parlament beeinflusst. U.a. hätten sie eine Rollstuhlfahrer-Demonstration mit zynischen Transparenten wie "Keine Behandlung ohne Patente" im Parlamentsgebäude organisiert.

Greenpeace kritisiert an dem EU-Gesetz, dass es die Patentierung menschlicher Embryonen und Organe nicht wirksam verhindere, Patente auf Pflanzensorten und Tierarten ermögliche und die "Biopiraterie", d.h. dem Diebstahl von genetischen Ressourcen aus Entwicklungsländern, begünstige. Auch die dänische und französische Ethikkommission haben erhebliche Einwände gegen die Richtlinie geltend gemacht. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac hatte erst Anfang Februar Neuverhandlungen gefordert. Die Regierungen der Niederlande und Italiens haben gar beim Europäischen Gerichtshof Klagen eingereicht. Eine erste Anhörung hatte es dazu am 13.2. gegeben.

Die strittige Richtlinie ist, unabhängig von diesen Klagen, bereits seit Juli 98 rechtsgültig. Aufgrund der EU-Verträge sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Richtlinien der Brüsseler Kommission binnen zwei Jahren in nationales Gesetz umzusetzen, worauf sich der Text des Justizministeriums beruft: "Die Bundesregierung betont damit, dass es für den Erfolg einer Initiative zu einem Änderungsprozess auf europäischer Ebene wesentlich ist, sich rechtstreu zu verhalten, um in den Mitgliedstaaten eine gemeinsame Basis für die weitere Prüfungen erforderlicher Verbesserungen zu schaffen."

Greenpeacer Then fürchtet allerdings, dass die Öffentlichkeit in die Irre geführt und die Neuverhandlung, die im Oktober mit dem Gesetzentwurf im Kabinett beschlossen worden war, auf die lange Bank geschoben werden soll. Tatsächlich findet sich im Text des Justizministerium keinerlei präzise Aussage zu den tatsächlich oder vermeintlich angestrebten Neuverhandlungen. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass man im Hause der Justizministerin an seiner ursprünglichen, industriefreundlichen Position festhält. Noch in der Woche vor dem Kabinettsbeschluss im Oktober hatte man sich dort nämlich gegen Neuverhandlungen gesträubt: Es mache keinen Sinn, ein Gesetz zu beschließen, um dann in Brüssel das Gegenteil zu fordern, hatte es geheißen. Die Festlegung auf Neuverhandlungen innerhalb der EU war nur auf Druck des Umweltministers und seiner ebenfalls Grünen Kollegin aus dem Umweltressort zustande gekommen.

Irreführung könnte auch an anderer Stelle das Motiv sein: Das Justizministerium behauptet, die Gesetzesvorlage beeinträchtige nicht die Konvention zum Schutz der Biologischen Vielfalt (CBD), was verschiedenste Kritiker angeführt hatten. Es werde, so das Justizministerium, insbesondere in der Welthandelsorganisation (WTO), darüber diskutiert, wie das Verhältnis zwischen Patentrecht und der CBD zu gestalten sei. "Die Bundesregierung wird sich aktiv an diesen Diskussionen beteiligen." Was nicht verraten wird, ist, dass innerhalb der WTO das im so genannten TRIPS-Vertrag niedergeschriebene internationale Patentrecht höchst umstritten ist. Vor allem die afrikanischen Staaten haben bei den Verhandlungen in Seattle gefordert, dass der Vertrag unbedingt revidiert werden muss, da er einer Enteignung gleichkomme. Vor allem die EU und damit auch Deutschland sperren sich gegen entsprechende Nach-Verhandlungen, so lange die Entwicklungsländer nicht einer neuen Verhandlungsrunde zur weiteren Ausdehnung des Freihandels zustimmen.

(wop)

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