Geschichte

20 Jahre Arbeitskreis Asche-Prozess

Der Arbeitskreis Asche-Prozess - vielen bekannt durch die von ihm in Kiel veranstalteten antifaschistischen Stadtrundfahrten - konnte im November letzten Jahres auf sein 20jähriges Bestehen zurückblicken. LinX unterhielt sich aus diesem Anlass mit Eckhard Colmorgen, einem der Gründer des Arbeitskreises und heutigem Sprecher. Das Gespräch führte cs.

LinX: Der Name "Asche-Prozess" bezieht sich auf den letzten NS-Prozess vor dem Landgericht Kiel. 1980 wurde dort Anklage gegen den ehemaligen SS-Obersturmführer Kurt Asche erhoben. Mit welchem Ziel gründete sich der Verein damals? Hat seine Arbeit den Prozess beeinflusst?

E.C.: Am 26. November 1980 begannen die Verhandlungen gegen den ehemaligen "Judenreferenten" Kurt Asche vor dem Landgericht Kiel. Asche wurde angeklagt, wegen "Beteiligung zum Mord in mehr als 10.000 Fällen", denn er hatte in den Kriegsjahren 1941 bis 1943 als Mitarbeiter der Gestapo in Brüssel die Deportation von über 25.000 "Juden" aus dem besetzten Belgien in das deutsche Vernichtungslager Auschwitz organisiert. Das Gericht verurteilte Kurt Asche im Juli 1981 zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren. Soweit in aller Kürze die Hintergründe des Gerichtsverfahrens, auf dessen Verlauf der Arbeitskreis keinen Einfluss nehmen konnte. Allerdings haben wir damals durch Veranstaltungen und Infomaterial über die juristischen und historischen Hintergründe des Verfahrens die Öffentlichkeit informiert. Zu den Verhandlungen kamen ja immer viele Schülerinnen und Schüler als Zuhörer. Ich erinnere mich an eine Diskussionsveranstaltung mit Beate Klarsfeld als Rednerin. Sie und ihr Ehemann Serge Klarsfeld aus Frankreich sowie der belgische Historiker Dr. Maxime Steinberg hatten am Zustandekommen des Prozesses durch provokative Öffentlichkeitsarbeit einen großen Anteil. Auch die Kontakte zu einigen Zeugen der Anklage sind mir noch in bleibender Erinnerung.

LinX: Warum beschloss der Verein nach Prozessende seine Arbeit weiterzuführen? Was waren die neuen Aufgaben?

E.C.: Wir hatten uns während des Verfahrens mit der Geschichte des deutschen Faschismus und seinen Verbrechen in Belgien und Polen, also dem Holocaust, beschäftigt. Das war ja weit entfernt gewesen und hatte mit der Geschichte der eigenen Stadt Kiel scheinbar nichts zu tun. Einige ältere Kieler erzählten aber, dass es in Russee während der Nazi-Zeit ein KZ gegeben haben sollte. Wir begannen also die Zeit des Nationalsozialismus in Kiel zu erforschen und das Ergebnis sind die Antifaschistischen Stadtrundfahrten und -rundgänge. Außerdem hat der Arbeitskreis in den achtziger Jahren über die vorhandene Nazi-Szene berichtet. ich erinnere mich an Veranstaltungen und Aktionen gegen die damals kandidierende "Kieler Liste für Ausländerbegrenzung".

LinX: Wurde Eure Tätigkeit, gerade die wichtige Aufklärungsarbeit für Schulklassen von offizieller Seite, der Stadt Kiel oder der Landesregierung, gewürdigt und gefördert? Gab es in dieser Hinsicht eine Veränderung nach dem Regierungswechsel 1988?

E.C.: Eine Förderung unserer Arbeit gab es überhaupt nicht, im Gegenteil. Von der damaligen CDU-Landesregierung wurden wir im Verfassungsschutzbericht 1983 als "linksextremistische Vereinigung" aufgeführt. Unsere Stadtrundfahrten mit dem Bus wurden anfangs sogar von einem Polizeiwagen observiert. Antifaschistische Arbeit galt damals, zum Teil ja auch heute noch, als Tätigkeit gegen den Staat. Aus der Sicht der schleswig-holsteinischen CDU, mit ihren vielen Nazi-Funktionsträgern nach 1945, sicherlich verständlich. Die SPD-Landesregierungen haben dann die Erforschung des Nationalsozialismus gefördert. Leider hat die SPD-regierte Stadt Kiel da nie richtig mitgezogen. Der vom Arbeitskreis über die Grünen in die Ratsversammlung eingebrachte Antrag für die Schaffung einer Dokumentations- und Forschungsstätte zum Nationalsozialismus wurde zwar 1985 einstimmig zugestimmt, aber bis heute ist nichts daraus geworden. Ähnlich erbärmlich verhält sich ja die Stadt bei der aktuellen Debatte zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.

LinX: Welche Bedeutung hatte für den Arbeitskreis die Gründung des IZRGs in Schleswig?

E.C.: Die Gründung des Instituts für Zeit- und Regionalgeschichte im Jahre 1992 ist Ausdruck des Willens der damalige SPD-Landesregierung, die NS-Forschung in und über Schleswig-Holstein endlich zu fördern. Die Kieler Universität, das Historische Seminar, hatte da ja nichts geleistet. Detlef Korte, Gründungsmitglied des Arbeitskreises, kam als Historiker an das IZRG. Er hatte mit einer Arbeit über die Geschichte des "Arbeits-Erziehungslagers Nordmark", also das KZ am Russee, promoviert.

LinX: Ihr habt ja mittlerweile einige hundert Antifaschistische Stadtrundfahrten durchgeführt. Hat das Interesse an lokaler NS-Geschichte in den letzten 20 Jahren eher ab- oder zugenommen?

E.C.: Der Arbeitskreis führt jährlich 12 bis 15 Stadtrundfahrten bzw. -rundgänge durch. Überwiegend mit Schulklassen im Rahmen des Geschichtsunterrichts. Aber auch öffentliche Rundfahrten, die wir über die KN ankündigen, sind üblich; so beispielsweise zum 27. Januar, zum 8. Mai und zum 9. November. Hier kooperieren wir übrigens seit einigen Jahren mit dem Kirchenkreis Kiel und der Stadt Kiel. Das Interesse an unseren lokalen Stadtrundfahrten, wie überhaupt das Interesse mehr über die Nazi-Zeit zu erfahren, ist "konjunkturellen Schwankungen" unterworfen. An bestimmten Gedenk- oder Jahrestagen besteht gesteigertes Interesse sich mit der NS-Zeit auseinanderzusetzen. Ich kann nicht eine generelle Abnahme, wie oft behauptet wird, feststellen.

LinX: Der Verein Mahnmal Kilian e.V. plant, den von ihm ersteigerten Flandernbunker am Hindenburgufer zu einer Mahn- und Gedenkstätte umzugestalten. Wäre für den Arbeitskreis eine Mitarbeit an diesem Projekt vorstellbar?

E.C: Der Verein greift da ja ein altes Thema unseres Arbeitskreises auf. Die Landeshauptstadt Kiel sollte endlich eine Gedenk-, Forschungs- und Bildungsstätte zum Nationalsozialismus in Kiel schaffen. Mit dem Abriss der Trümmer des U-Boot-Bunkers ist eine große Chance vertan und ein Signal in die falsche Richtung gesedet worden. Es besteht kein politischer Wille - es liegt ja nie am fehlenden Geld - bei den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern der Stadt über die NS-Zeit aufzuklären.

Die Fotos stammen aus dem Arbeitskreis- Reader "Kiel im Nationalsozialismus - Materialien und Dokumente", erhältlich in den Kieler Buchhandlungen: TRAU DICH, Holtenauer Str. 92 und Zapata, Jungfernstieg 27

Nächster Termin eines Stadtrundgangs: 12. Mai 2001 (Sonnabend): Kriegsende in Kiel - Opfer und Täter des NS-Regimes. Treffpunkt: KN-Gebäude (Fleethörn), ab 14.00 Uhr

LinX-Startseite