Kommentar

Berserker und Autokraten

Hough!, der König hat gesprochen: Notfalls müsse eine verlängerte Start- und Landebahn in Holtenau auch gegen die Interessen der Anlieger durchgesetzt werden, ließ sich OB Gansel letzte Woche in den Kieler Nachrichten zitieren. Die Äußerung kommt — wohl gemerkt — nach dem sich erheblicher Unmut über die Ausbaupläne breit gemacht hat und deren Grundlagen sich als äußerst fragwürdig erwiesen haben.

Dabei kann sich Gansel nicht einmal auf wirtschaftliche Argumente stützen. Selbst Cimber Air und Landeswirtschaftsminister Rohwer geben inzwischen zu bedenken, dass es vielleicht auch eine kleinere Variante täte. Es bieten sich also zwei Motive für des OBs Auslassungen an: 1. Es geht in Wirklichkeit doch um den Charterflug. 2. Altersstarrsinn. Schwer zu sagen, was deprimierender ist.

Man kennt dieses autokratische Gebaren natürlich längst, aber das macht die Sache auch nicht erträglicher. Zumal es keine isolierte Erscheinung ist, sondern zu einer SPD passt, die auch den letzten Funken sozialen und demokratischen Gewissens verloren hat. Mit grüner Unterstützung ist man gerade dabei, dass Sozialsystem umzubauen. Angesichts einstürzender Börsenkurse hält man unverdrossen daran fest, die Alterssicherung den Launen des Kapitalmarktes anheim zu stellen, und der Kanzler meint allen Ernstes die Diskussion darüber mit einem "Basta!" vom Tisch wischen zu können.

Man fühlt sich um 100 Jahre zurückversetzt ins wilhelminische Preußendeutschland: Die Obrigkeit verkündet, wo es längs geht, der Plebs hat's Maul zu halten.

Vor Ort in Kiel das gleiche Bild. Ob bei der Ostufertangente, der Hörnbebauung, beim Flughafen oder bei der Krankenhausprivatisierung: Öffentliche Diskussion ist unerwünscht, die Interessen der Stadtbewohner sind vollkommen belanglos, was zählt sind die Wünsche der "Investoren". Selbst auf das Kommunalparlament hört die Verwaltung nur sehr ungern und widerstrebend.

Die politischen Folgen dieses Niedergangs der Sozialdemokratie sind verheerend: In der Gesellschaft breitet sich die Frustration im rasanten Tempo aus, und da sich links keine Alternative anbietet, scheint das einzige Ventil Nationalismus und Rassismus. Höchste Zeit also, dass die Linke hilft, den Widerstand gegen die Berserker im Rathaus zu organisieren.

(wop)

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