Debatte

Linke:

Nicht nationalstolz, aber völkisch?

Auf bundesdeutschem Boden ansässige Volksgruppen, wie Friesen und Sorben sowie deren Sprachen , gibt es im Weltbild (Deutschlandbild) der auf selbigem ansässigen Linken kaum. Die plattdeutsche Sprache oder regionale Dialekte sind in linken Kreisen nicht angesagt, d.h. falls überhaupt -rudimentäre - Kenntnisse vorhanden sind, werden diese lieber nicht gepflegt. Da sei Groß-Hoch-Deutsch-Land vor! Oder W. Duden! Das ist kein Vorwurf - nur eine Feststellung. Die vielfältige regionale Gesangs- und Trachtenkultur - die nicht zwingend goutiert aber auch nicht missachtet werden muss - und andere Vereine in Deutschland werden von links generell rechts eingeordnet. Was i.d.R. nicht unberechtigt ist: In diesem "Rechts-Staat" stehen die meisten Vereine und deren Mitglieder nicht nur der Satzung nach eher rechts.Von einer entsprechenden völkischen "Lufthoheit" über Vereins- u.Stammtischen, auch bei der "National-Stolz" Debatte, darf ausgegangen werden. So ist sie eben diese Gesellschaft. Soweit - so schlecht!

Doch angesichts der - unter dem Banner der internationalenSolidarität mehr oder minder von Revolutionsromantik geprägten Unterstützung völkischer Bewegungen durch bundesdeutsche Linke, stellt sich zunehmend die Frage: "Ist die Rest-Linke (groß)teils völkisch?" Die begeisterten, träumerisch-feuchten Blicke des linken Solidaritätspublikums bei Auftritten beispielsweise kurdischer Musik- u. Trachtengruppen konnten der allgemein bundesdeutschen Vorliebe zur Exotik und Ethno-Romantik zugeschrieben werden. "Bergdeutsche" sind bäuerlich, "Bergtürken" archaisch,ist zwar annähernd dasselbe, schreibt sich aber unterschiedlich und hört sichauch ganz anders an. Gell! Das am Rande!

Der sozialistische Lack ist ab!

Der Hauptpunkt ist die grundsätzliche bzw. zunehmend völkische Orientierung der Nationalbewegungen auf dem Balkan, in Tschetschenien, Kurdistan, Palästina usw.: Die antiimperialistische/sozialistische Tünche ist verblasst, der religiöse u./o. Blut und Boden Grundton nicht zuübersehen. Unbestritten haben im so genannten "Globalen System", besser "Kapitalistischen Welt (Wirtschafts)system", die Bewohner nicht nur im Großteil Afrikas die "Arschkarte" gezogen. Die mangelnde Attraktivität, auf die sozialistische Karte zu setzen bzw. die Schwierigkeit mit dieser zu stechen, ist kein Grund auf "Ersatz-Befreiungsbewegungen" und deren oft zu Recht als "Banditentruppen" bezeichneten bewaffneten Formationen zu setzen. Diese sind häufig gut im imperialistischen Weltsystem integriert: In der Prostitution, Drogen und anderem Handel.

Aktuell ist neben der albanischen auch die palästinensischeNationalbewegung gut integriert: Staatsknete aus Deutschland stützt einen großen Teil der palästinensischen Autonomieverwaltung. Von der - durch die bundesdeutschen Linken stark solidarisierten - palästinensischen Nationalbewegung können selbst hiesige "Vertriebenenverbände" lernen: Ein Rückkehrrecht der durch biologische Vermehrung von 400.000 auf 3 bis 5 Mio. angewachsenen "angeborenen Vertriebenen" wird kompromisslos von der PLO gefordert. Wie weit mit der Betrachtung der Palästinenser als "ein um seinen Besitz gebrachtes Volk" in der Solidaritätsbewegung in Deutschland nicht Deckungsgleichheit mit dem völkischen deutschen Volksbegriff besteht ist Nachdenken angesagt. Nur soviel: Auch in den palästinensischen Autonomiegebieten sind die Besitzverhältnisse so klar wie in Deutschland: Wenige besitzen das Meiste - Die Meisten besitzen wenig! Der Unterschied ist, dass es in Deutschland zumindest eine bürgerliche Gleichberechtigung gibt. Selbst bzw. nur diese innerhalb bestehender Staatssysteme zu fordern und dafür zu kämpfen, sind offensichtlich selbst vormals sozialistisch/antiimperialistische Bewegungen auch in Palästina nicht in der Lage.

Latenter völkischer Grundton

In Deutschland sind die "Flüchtlinge" nach 1945 innerhalb einer Generation integriert worden: Auf absehbare Zeit nicht umzustoßende Fakten und Grenzen, staatlich gewollte und geförderte Integration, die ökonomische Entwicklung sowie Kinder aus gemischten Beziehungen zwischen Einheimischen und Zugezogenen haben Organisationen wie den BHE (Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten) innerhalb eines Jahrzehnts den Anhang entzogen. Das manche ihre Heimat in bürgerlichen Parteien, die nach wie vor die Oder-Neiße Grenze zu Polen nicht anerkannten, fanden, steht auf einem anderen Blatt. (Genauso wie eine "Rückeroberung" der "Ostgebiete" durch eine(EU)-Osterweiterung nicht auszuschließen ist).

Wie schnell die völkische Orientierung wechseln kann, haben die anfangs erwähnten Friesen gezeigt: Im ehem. Kreis Südtondern errang die NSDAP bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933 mit 73,5% ihr Spitzenergebnis (44% Reichsdurchschnitt). Mit dem DNVP-Anteil haben vier Fünftel der WählerInnen die Hitlerfaschisten gewählt, was auch weit über dem Durchschnitt im "Mustergau" Schleswig-Holstein lag. Bei den ersten Landtagswahlen nach dem Krieg erhielten prodänische Organisationen ca. 56% der Stimmen aus der einheimischen Bevölkerung. So wurde(n) aus einem der von den Faschisten mythologisierten und heroisierten "reinstgeprägten germanischen Stämme" schnell "Speckdänen" auf "urdänischem Boden"! (Lit. Tip" Geschichte Nordfrieslands, Verlag Boyens &Co.)

Der kürzliche Drang der Bevölkerung der DDR zur Wiedervereinigung ("Wir sind ein Volk!") wäre im Falle reicherer süd-östlicher Nachbarn und ärmerer West-Verwandschaft nicht so ausgeprägt gewesen. Dass die Bürger der DDR den Pass eines der reichsten Länder der Welt ihr eigen nennen wollten, ist verständlich. Politisch zu unterstützen war und ist dies nicht! (Der Umgang mit den neuen Realitäten ist eine andere Sache, genauso wie die Frage der Zuwanderung und Asyl). Das muss auch für völkisch geprägte Bewegungen in anderen Teilen der Welt gelten. Die Solidarität ist zu versagen! Auch durch bewusst und kontinuierlich von den palästinensischen Führungen in die Frontlinien geschickte Kinder und dem Hang zum irgendwie bewaffneten Kampf sollten sich Linke nicht zur Solidarität mit völkischen Volksbewegungen verleiten lassen. "Wir lassen uns nicht in den Grenzkampf hineinziehen!" meinte kürzlich ein Mitglied eines friesischen Vereins. Linke werden dem zustimmen - auch bei Kämpfen in anderen Teilen der Welt?

(W. Jard)

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