Lokales

Bommelmanns Stein der Weisen:

Mehr Druck statt mehr Arbeit

Dem Bundeskanzler scheint zu schwanen, dass er seine Versprechen, die Arbeitslosigkeit deutlich abzubauen, nicht wird erfüllen können. Die nächste Krise steht ins Haus und lässt ein weiteres Anwachsen der Erwerbslosenzahlen erwarten. Also verfällt Schröder auf bewerte Mittel: Die Opfer werden zu Schuldigen gemacht, Arbeitslose als Drückeberger abgestempelt. "Stammtischparolen" nennt Anke Spoorendonk vom SSW das vollkommen zurecht.

Aber die Bundesregierung hat mit der Hetzkampagne noch nicht ihr Pulver verschossen. Ein weiteres Mittel, dass sie sich hat einfallen lassen, ist die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Zum 1.12.2000 trat ein "Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Trägern der Sozialhilfe" in Kraft. Offizielles Ziel: Finanzielle und personelle Ressourcen bündeln und Bezieher von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe "wieder in das Erwerbsleben einzugliedern". Das Gesetz enthält "Experimentierklauseln", die helfen sollen, Formen der Kooperation zu erproben.

20 Modellregionen sind zunächst vorgesehen, in denen Erfahrungen gesammelt werden sollen. Eine davon ist Neumünster, eine andere Kiel, wo ein entsprechendes Projekt unter dem Namen "Tandem" zum 1. März angelaufen ist. Je zwei Mitarbeiter des Arbeits- und Sozialamt sollen sich in einer "gemeinsamen Vermittlungs- und Beratungseinrichtung" um Erwerbslose kümmern. Vom Bund gibt es über drei Jahre verteilt insgesamt knapp 1,4 Mio. DM Unterstützung, die hauptsächlich für zusätzliche Personalkosten draufgeht.

Was die Auswirkungen für die Betroffenen angeht, lassen allerdings verschiedene Regelungen des Gesetzes und die Erfahrungen mit dem Kieler Sozialamt sowie der zuständigen Dezernentin Bommelmann nichts Gutes erwarten. Z.B. heißt es in einer begleitenden Broschüre des Bundesarbeitsamtes: "Im Rahmen der Modellerprobung kann vom Verfahrens- und Datenschutzvorschriften abgewichen werden." Mit anderen Worten, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger sollen besser durchleuchtet werden. Wer einmal von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe hat leben müssen, weiß, welche entwürdigende Realität sich hinter diesem trockenen Bürokratendeutsch versteckt.

Schon jetzt rühmt sich Bommelmann in ihren Berichten, wie viele einstige Sozialhilfeempfänger man wieder losgeworden ist. "Mancher", so ein ehemaliger Mitarbeiter des Straßenmagazins "Hempels" gegenüber der LinX, "schafft den Weg zum Sozialamt nicht mehr; und zwar, weil er den Druck und die Erniedrigung nicht mehr aushält. Wenn man auf der Straße lebt, ganz unten, dann kann schon ein einziges falsches Wort reichen, um einen endgültig fertig zu machen. Ich kenne mehr als einen, der einfach Schluss gemacht hat."

Bommelmanns Ankündigung, mit dem Projekt sollten "Arbeitshemmnisse" (bei den Betroffenen wohlgemerkt) beseitigt werden, klingt da wie eine Drohung. Die Masche ist die Alte: Statt neue Arbeitsplätze zu schaffen, wird mit viel Papier und ein bisschen sozialpädagogischem Geklingel der Druck auf diejenigen erhöht, die schon jetzt nicht wenig unter ihrer Situation leiden.

Und noch etwas lässt aufhorchen: Die Betreuung inklusive der Leistungsgewährung darf laut dem Gesetz auch an "Dritte" übertragen werden. Eine Hintertür für die Privatisierung der Sozialhilfe? Die Bundesmittel für "Tandem" werden jedenfalls schon einmal über eine "Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung mbH" verteilt, die als Treuhänderin der Regierung auftritt und die Modellprojekte begleitet. Offensichtlich sind findige "Unternehmer" dabei einen neuen Goldesel heranzuzüchten. Wer einmal in arbeitsamtfinanzierten Fortbildungseinrichtungen gesehen hat, wie sich mit Diletantismus viel Geld machen lässt, weiß, was uns da bevorsteht.

(wop)

bild arbeitsamt

Die Bundesregierung schafft Arbeitsplätze: Neue Stellen im Arbeitsamt, um Arbeitslose noch stärker unter Druck zu setzen.

P.S.: Kurz nach Redaktionsschluss kündigte Arbeits(dienst)minister Riester an, er strebe an, bis 2006 Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen. Je besser Arbeits- und Sozialämter zusammenarbeiten, desto leichter kämen Langzeiterwerbslose wieder in Arbeit. Schließlich ist Arbeitslosigkeit ja auch nur ein Problem mangelnder Effizienz der Bürokratien.

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