Anti-Atom

EU lässt AKW in Osteuropa bauen

Die EU-Kommission in Brüssel hat dieser Tage einen Entwurf für den nächsten Forschungsetat der Europäischen Atomgemeinschaft Euratom vorgelegt, der noch vom Rat der Forschungsminister abgesegnet werden muss. 1,23 Mrd. Euro, d.h. rund 2,4 Mrd. DM sollen von 2002 bis 2006 ausgegeben werden, berichtet die Internationale Umweltorganisation Freunde der Erde (FoE), in Deutschland durch den BUND vertreten. Das entspräche ziemlich genau dem Betrag der vorhergehenden Haushaltsperiode, der der höchste Forschungsetat in der Geschichte der Euratom gewesen ist.

U.a. sind 150 Mio. Euro für Forschung und Entwicklung im Bereich Behandlung und Lagerung strahlender Abfälle vorgesehen. Der höchste Einzelposten ist die Erforschung der Kernfusion. Beachtliche 700 Mio. Euro sollen hier in den nächsten Jahren aus EU-Mitteln investiert werden. Wohlgemerkt zusätzlich zu dem, was die Mitgliedsstaaten auf der nationalen Ebene ausgeben. In Deutschland waren das nach Angaben des Bundesforschungsberichts im Jahre 2000 rund 330 Mio. Euro für Kernenergieforschung und noch einmal ca. 120 Mio. Euro für Kernfusionsforschung. Letzt genannter Posten wächst übrigens auch unter der neuen Regierung Schröder-Fischer von Jahr zu Jahr, wenn auch mit etwa 3 Mio. Euro jährlich weniger schnell, als unter Kohl. Dafür hat die Regierung, die behauptet aus der Atomenergie aussteigen zu wollen, den ganzen Bereich nuklearer Forschung dem Wirtschaftsministerium unterstellt, das von einem ehemaligen Manager des AKW-Betreiber RWE geleitet wird.

Tobias Münchmeyer von Greenpeace International sieht in den Ausgaben für die Atom-Forschung die reinste Verschwendung: "Das Geld ist einfach eine Subvention für Europas zunehmend verzweifelte Atomindustrie und blockiert nachhaltige Lösungen für den Energiesektor." Sieben der 15 EU-Mitgliedsstaaten haben keine AKW und seit 1991 sei in der ganzen EU keines mehr bestellt worden. Besonders empörend seien aber die hohen Summen für die Kernfusion, die nach Angaben ihrer Fürsprecher - wenn überhaupt - dann erst in 50 Jahren oder später eine Rolle in der Energieversorgung spielen kann.

Patricia Lorenz, die im Brüsseler FoE-Büro für die Energie-Kampagne zuständig ist, meint dazu: "Die kommerzielle Nutzung der Kernfusion ist pure Fantasie. Bereits vor 25 Jahren haben die gleichen Leute davon gesprochen, dass man in 50 Jahren so weit sei. Es sieht so aus, als ob wir immer 50 Jahre vom Erfolg entfernt bleiben. Der Ministerrat sollte aufhören, die Millionen der Steuerzahler zu verschwenden."

Die in den 50ern gegründete Europäische Atomgemeinschaft (Euratom), als deren Ziel die Förderung der Kernenergienutzung festgelegt wurde, gehört zu einem der Vorläufer der EU. 1965 wurde sie mit der Montanunion und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unter einem Dach vereint. Für Patricia Lorenz ist sie ein Relikt der nuklearen Vorzeit: "Der Vertrag stammt aus einem anderen Zeitalter und gehört sofort aufgekündigt."

Doch davon scheint Euratom weit entfernt, wie ihr fulminanter Etat zeigt. Besonders rege ist man u.a. im Osteuropageschäft. Bereits 1977 war die Kommission ermächtigt worden, aus EU-Mitteln Kredite für den Bau von Atomanlagen zu vergeben. Waren diese ursprünglich auf die Gemeinschaft beschränkt, so fließen sie seit 1990 fast ausschließlich gen Osten und wirken dort vor allem als Exportförderung für die deutschen und französischen Kraftwerkbauer. Der zur Verfügung gestellte Topf wuchs von einst 500 Mio. ECU (ein ECU entspricht ungefähr einem Euro) auf inzwischen 4 Mrd. ECU. Gegenwärtig ist in der Diskussion, diese Summe um weitere 2 Mrd. Euro zu erhöhen.

In einem offenen Brief an die Brüsseler Kommission haben unlängst Umweltschützer aus verschiedenen osteuropäischen Ländern und der EU gegen diese Pläne protestiert." Die Kredite haben nicht dazu beigetragen, das nukleare Risiko in Europa zu vermindern. Sie dienen vielmehr der Finanzierung riskanter Projekte und sind als direkte Subvention der siechen EU-Atomindustrie (Siemens, Framatom) anzusehen", schreiben sie. Die Kommission habe sich z.B. im Falle der ukrainischen Reaktoren K2/R4 nicht an die eigenen Kriterien gehalten.

Jüngster Anwärter auf die Euratom-Kredite ist die rumänische Regierung, die Geld für die Fertigstellung eines Reaktors in Cernavoda und den Bau dreier weiterer Einheiten haben möchte. "Die elektrische Energie", so die Umweltschützer, "ist für den Export in die EU gedacht." Die Finanzierung von AKW in Osteuropa um deren Strom zu importieren sei vollkommen inakzeptabel, stellt der offene Brief fest und fordert, die Mittel lieber für erneuerbare Energiequellen zur Verfügung zu stellen.

Greenpeacer Münchmeyer sieht mit dem neuen Forschungsetat und der Diskussion um die Aufstockung des Kredit-Topfes für osteuropäische AKW seine Beobachtungen bestätigt: In der neuen Kommission gebe es einige vehemente Befürworter der Nukleartechnologie, die beharrlich versuchten der Atomindustrie wieder auf einen grünen Zweig zu verhelfen. Der britische Außenkommissar Chris Patten gehöre dazu und vor allem die stellvertretende Präsidentin und Kommissarin für die Beziehungen zum Europaparlament, Verkehr und Energie Loyola de Palacio aus Spanien, aus deren Feder auch die jüngsten Vorschläge über die erste Vorentscheidung stammen.

(wop)

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