Debatte

"Faulenzer-Debatte":

Krummer Hund!

 

Wasserträger der Faschisten?

Genosse der Bosse lässt Bundeskanzler G. Schröder sich gerne nennen. Das Image hat durch die Auseinandersetzung um die "Reformierung" des Betriebsverfassungsgesetzes etwas gelitten. Zu Unrecht! Die "Reform" ist eine kleine Modifizierung (vgl. LinX 4 und 5/01) - mehr eine Fensterputzaktion denn eine Grundrenovierung - damit der DGB als Stimmenbeschaffer für die Regierungsparteien nicht gar zu dumm dasteht. Zu offensichtlich waren die bisherigen Regierungserfolge - vom Angriffskrieg gegen die BR Jugoslawien bis zur Rentenkürzung - Niederlagen für die Menschen, die von den Gewerkschaften vertreten werden oder werden müssten. Kürzungen bei der Arbeitsförderung und Sozialhilfe werden als nächstes Regierungsziel angepeilt!

"Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft," sagte G. Schröder am 04.04.01 in einem Interview der "Bild-Zeitung", die zu lesen nun wirklich keine Fleißarbeit ist.

... BILD: Es gibt knapp 4 Millionen Arbeitslose und fast 600.000 offene Stellen - was stimmt da auf dem Arbeitsmarkt nicht?

Schröder: Wer arbeiten kann, aber nicht will, der kann nicht mit Solidarität rechnen. Es gibt kein Recht auf Faulheit in dieser Gesellschaft! Das bedeutet konkret: Wer arbeitsfähig ist, aber einen zumutbaren Job ablehnt, dem kann die Unterstützung gekürzt werden. Das ist richtig so. Ich glaube allerdings, daß die Arbeitsämter die entsprechenden Möglichkeiten noch konsequenter nutzen können. ...

Beifall kam erwartungsgemäß sofort aus dem Lager der CDU/CSU und FDP. Deren Vorläufer- Parteien hatten bekanntlich faschistische (Zwangs-) Arbeit gutgeheißen. Stigmatisierung und Ausgrenzung betreiben diese christlich-liberalen Organisationen weiterhin, die sozialdemokratische ist um Aufschluss bemüht. Arbeitslosigkeit mit Faulheit in Zusammenhang setzende Diskussionen werden zyklisch initiiert: Während oder vor drohenden - zyklischen - Krisen! Aktuell vor dem Hintergrund der Krisen in Japan, den USA und der Baisse an den Börsen. Auswirkungen auf die EU sind zu erwarten. Vor der Bundestagswahl 2002 wäre die versprochene Reduzierung der Arbeitslosenzahl auf 3,5 Mio. (offiziell registrierter) Menschen gefährdet. Da wird heutigen und zukünftigen Arbeitslosen vorsorglich Arbeitsunwilligkeit unterstellt und härteres Vorgehen in Form von Kürzungen der Unterstützung angedroht. Die Gewerkschaften verwahrten sich gegen den pauschalen Vorwurf. Der DGB betonte zugleich, dass er schwarze Schafe unter den Arbeitslosen keinesfalls schonen wolle. Ekelhafte Anbiederei!

Grauenhaft auch die Vorstellung, alle beständig auf Lohn- und Gehaltslisten stehenden Menschen - die zu vertreten nicht nur vorrangige sondern, fatalerweise, alleinige gewerkschaftliche Praxis ist - würden sich das Recht auf entgoltene (gelegentliche) Faulheit auf, an oder bei der Arbeit nehmen lassen: Ein im zweistelligen Millionenbereich stehendes Heer an Arbeitslosen wäre die Folge! Zum Glück halten die "in Lohn und Brot" stehenden Menschen die bürgerlichen Gesetze - Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - nicht ein. Der Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten und geltenden Tarifverträge ist alltäglich. Nun gibt es Unterschiede zwischen Menschen die - entsprechend den Tätigkeiten, Vorgaben und Kontrollen - (hart) arbeiten müssen, beschäftigt sind oder (gelegentlich) tätig sind. Entsprechend unterschiedlich verteilt sind die subversiven Möglichkeiten gegen die bürgerlichen Arbeitsmoral und Vorgaben zu verstoßen.

Schwarze Schafe!

Schwarze Schafe gibt es überall, sagt der Volksmund. Schwarzbunte bilden die Mehrheit, meint der Verfasser dieser Zeilen. Gegen das Recht auf Faulheit werden am stärksten die Menschen ins Kanzlerhorn stoßen, deren Angst um den "Arbeitsplatz" eher eine um den "Aufenthaltsort" zu nennen ist. Diese werden gemeinhin im Beamten- und Verwaltungsapparat der Behörden und Firmen vermutet. Das muss und wird nicht generell zutreffen. Auch in den Produktionsbereichen kann von einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeit ausgegangen werden. (Ein Parameter ist nicht nur die erfolgreiche, tägliche Lektüre des o.g. Hetzblattes in der Arbeitszeit.) Gerade Menschen, die (hart) arbeiten müssen oder wollen, sind - insbesondere vor dem Hintergrund drohender Arbeitsplatz- und Einkommensverluste - auch offen für reaktionäre "Schwarze Schafe"-Propaganda gegen Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Asylbewerber und Einwanderern.

Interessant sind Debatten über "schwarze Schafe" nur für Leute mit finsteren Absichten: Soziale sowie demokratische Errungenschaften und Forderungen werden diskreditiert, gesellschaftliche Gruppen stigmatisiert. Am erfolgreichsten waren in dieser Hinsicht die Nazi-Faschisten von 1933-45 - bis hin zur physischen Liquidierung gesellschaftlicher Gruppen. "Arbeit macht frei" stand an den Toren der Vernichtungslager! "Vernichtung durch Arbeit" ist Kapitalismus in Reinkultur!

Noch heute existiert der 1924 gegründete "Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung" (REFA), der sich ab 1936 "Reichsausschuss für Arbeitsstudien" nannte und unter dem Dach der "Deutschen Arbeitsfront" (DAF) weiterwirkte. ..."In dieser Zeit haben die von REFA entwickelten Verfahren zur Vorgabezeitermittlung vor allem in der Metallindustrie Verbreitung gefunden." wird in einer Publikation dieser Organisation zur eigenen Geschichte ausgeführt. In engeren Kreisen dieser beständigen Organisation - heute "REFA - Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e.V." genannt - nennt man sich gerne "Refaschisten"! Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften sind "Sitz und Stimme in allen Gremien eingeräumt." ... Dass letztere die angebotenen Sitze besetzen, ist zu vermuten: Neben der "Wirtschaftlichkeit" wird heute auch die "Humanisierung" der Arbeitswelt gestellt. Gegen den Rest der Welt sagt keiner, ist aber gemeint!

Mit der "Kein Recht auf Faulheit" Attacke wollen G. Schröder und nachstoßende Politiker den im Arbeitsprozess nicht verwendbaren ("verwertbaren") Menschen das Etikett potentieller Schmarotzer umhängen. Da ist der Bundeskanzler, mit Verlaub, keine faule Sau, eher eine fleißige Biene: Emsig bemüht dem Kapital zu dienen, schreckt er vor demagogischen Parolen nicht zurück. Um für die rouge-olivgrüne Regierungspolitik der Aufrüstung und des Sozialabbaus (Wahl-)Anhang zu gewinnen, hetzt er die Menschen, die relativ beständig Arbeit und Einkommen haben, gegen prekär Beschäftigte und Arbeitslose auf. (Letztere müssen oftmals - um sich durchzuschlagen - mehr leisten und aushalten, als manche Dauer-"Arbeitsplatzbesitzer".)

Damit will G. Schröder im Kleinbürgertum und den Kernschichten des Proletariats Wähler für die SPD gewinnen und halten. Diese - auch "neue Mitte" genanten - gehören zu den Zweidritteln der Gesellschaft, die nach wie vor wählen gehen. Die Partei der "neuen Mitte" wird weiter rechts ausgerichtet und macht sich damit zum Wasserträger der Faschisten: Mit Selektionsparolen weisen faschistische Organisationen gerade unter den Menschen, die etwas "besitzen" (Arbeitsplatz, kleine Firma, Hof, Häuschen usw.) und tendenziell Angst vor dem Verlust haben (müssen), Wahlerfolge auf. Politiker der tonangebenden bürgerlichen Parteien sind stets Stichwortgeber für faschistische Ausgrenzungshetze gegen Asylbewerber, Zuwanderer, Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose usw. gewesen. Eben geistige Brandstifter! Wohlwissend, dass tierische Vergleiche oft bedenklich und in der aktuellen BSE- und MKS-Hysterie unappetitlich sind, sei es an dieser Stelle erlaubt, G. Schröder einen krummen Hund zu nennen!

(W. Jard)

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