Kommentar

Die Freiheit, die sie meinen

Demokratie sei ein Schlüsselbegriff der neuen, allamerikanischen Freihandelszone FTAA, behauptet Kanadas Premier Chrétien (siehe Arikel auf Seite 6). Doch für jeden, der Augen im Kopf hat, wird das Gegenteil deutlich. Nicht nur die "Mauer der Schande" und das martialische Polizeiaufgebot, mit dem sich die amerikanischen Regierungschefs jüngst vor den wütenden Protesten ihrer Bürger schützten, sprachen eine andere Sprache. Auch die wirtschaftlichen Fakten strafen ihn Lügen: NAFTA, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen, das FTAA als Vorbild dient, sieht vor, dass ein Unternehmen die Regierung eines Landes verklagen kann, wenn es sich diskriminiert fühlt. Umweltschützer und Gewerkschafter können Dutzende Beispiele anführen, in denen Konzerne diese Regelung nutzten, um erfolgreich gegen nationale oder bundesstaatliche Umwelt- und Arbeitsschutzbestimmungen anzugehen. Der Entwurf des FTAA-Vertrages sieht ganz ähnliche Regelungen vor. Mit anderen Worten: Im Interesse der großen Unternehmen wird mit den Freihandelsverträgen das Recht der Parlamente vor allem der unteren Ebenen und besonders natürlich in den weniger mächtigen Staaten ausgehebelt, die Wirtschaft per Gesetz und Verordnung zu regulieren. Das ist nicht ein Mehr an Demokratie, sondern ein Rückfall hinter die Errungenschaften der bürgerlichen Revolution.

Übrigens keine amerikanische Besonderheit. Auch die bilateralen Freihandelsabkommen, die die EU z.B. mit Mexiko und vielen anderen Staaten abgeschlossen haben, enthalten weitgehende Schutzbestimmungen für ausländische Investoren.

Die Folge ist nicht ein Mehr an Entwicklung und Wohlstand für alle, wie es uns versprochen wird, sondern eine Vertiefung der Gräben, ein Absenken der Umweltstandards und eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zunächst in der Peripherie. In den USA, wie im geringeren Maße in Westdeutschland, ist aber auch zu beobachten, dass die Entwicklung auf die Zentren zurück schlägt, wo die Unternehmer mit Verweis auf die ärmeren Länder Löhne drücken, Tarifverträge aushebeln und Umweltstandards beiseite schieben.

Das ist die Freiheit, die sie meinen, die nicht die unsere ist, sondern die des Profits. Gegen sie können wir uns nur noch international zur Wehr setzen.

(wop)

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