Grüße vom Kuckuck

Verehrter Herr Rotzoll,

auch wenn Sie der Leiter eines Amtes sind, das, wie sein Name drohend verkündet, für die Ordnung in unserer Stadt zuständig ist, folgen Sie natürlich nur den Anweisungen Ihnen übergeordneter Mächte. Und die strecken seit einem Jahr ihre begehrlichen Finger nach einem Ereignis aus, das Kiel an sieben Tagen im Jahr zu einem der beliebtesten, wenn auch gänzlich unheiligen, Wallfahrtsorte ganz Norddeutschlands machen. Nein, ich spreche nicht von der Kieler Woche, sondern von den ersten Sonntagen der Monate April bis Oktober eines jeden Jahres.

An diesen Tagen überfällt nämlich regelmäßig eine bunte und Jahr für Jahr anschwellende Horde junger und alter, häufig bizarr gekleideter, unausgeschlafener aber fröhlich und friedlich gestimmter Menschen die Kieler Innenstadt und verwandeln diese sonst eher öde Gegend mit ihrem anarchistischem Treiben in einen Ort, der das bietet, was alle Einkaufzentren der weißen Welt ihren Kundinnen und Kunden nur vorlügen können: ein Erlebnis für die ganze Familie. Es wird über Klassen- und Rassenschranken hinweg vielsprachig geschwätzt, gefeilscht und palavert. Man kann für wenig Geld kleine Schätze erstehen, sich selbst oder die Kinder einkleiden, findet Dinge, die man nie gesucht hat und niemals brauchen würde, und fällt manchmal aber auch auf supergünstige Schnäppchen aus so mancher Fälscherwerkstatt dieser Welt herein.

Dieses vom Kulturamt ins Leben gerufene Ereignis, das für viele aus nah und fern reizvoller als die Kieler Woche ist, brachte diesem eine schöne Summe Geldes ein, mit der wiederum die eine oder andere künstlerische Veranstaltung gefördert werden konnte. Bis..., ich kann es niemandem ersparen, bis Herr Rethage kam. Der nämlich meinte, dass dieser Flohmarkt nichts mit der Kultur, wohl aber mit der Wirtschaft dieser Stadt zu tun habe. Und damit ging es mit dieser schönen Einrichtung bergab. Dem Kulturamt fehlen die Einnahmen, die seit Jahren festen Termine wurden verlegt und jetzt auch noch für die meisten Handeltreibenden die Gebühren um 50% erhöht.

Wenn Sie, verehrter Herr Rotzoll, als oberster und sicher treuer Angestellter Ihres Amtes nun den Kopf für diese Entwicklung hinhalten müssen, brauchen Sie doch nicht gleich das Zählen zu verlernen und krauses Zeug zu reden. Oder verstehe ich ihre in den Kieler Nachrichten zitierte Äußerung falsch? Deshalb versuche ich es jetzt einmal mit formaler Logik. Wenn, wie Sie sagen, an den traditionellen Flohmarkt-Terminen generell weiter festgehalten werde, an manchen Sonntagen aber schon andere Veranstaltungen auf dem Rathausmarkt stattfinden würden, wird eben nicht... Können Sie folgen? Mit dem 29. April haben Sie schon einmal einen gelungenen Einstand. Und da ich weiß, wie gern Herr Rethage mitdenkende Mitarbeiter hat, verrate ich Ihnen, wie Sie sein Herz gewinnen können: Lassen Sie die Stadt an den Umsätzen teilhaben, fordern Sie eine städtische Flohmarktsteue7.

Das rät Ihnen ganz unentgeltlich

Ihr Kuckuck

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