Betrieb & Gewerkschaft

Südkorea:

Polizeiknüppel für entlassene Arbeiter

In Südkorea kam es Mitte April erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen entlassenen Arbeitern der Daewoo Motor-Werke und der Polizei. Bei dem ostasiatischen Automobilhersteller schwelt seit Monaten ein Konflikt zwischen der Betriebsgewerkschaft und dem Management, das mit Unterstützung der Regierung die Belegschaft zusammenschrumpfen will, um den Konzern für ausländische Bieter attraktiv zu machen.

Am 10.04. versuchten 500 Gewerkschaftsmitglieder das Büro ihrer Organisation auf dem Betriebsgelände der Daewoo Motor-Fabrik in der Hafenstadt Inchon zu betreten. Seit Ende Februar eine Betriebsbesetzung gewaltsam durch die Polizei beendet worden war, wurde ihnen der Zutritt verwehrt. Diesmal konnten sie jedoch nach Angaben des Gewerkschaftsdachverbandes KCTU ein Gerichtsurteil vorweisen, dass ihnen das Nutzungsrecht bestätigte und auch ausdrücklich beschied, dass Vertreter der KCTU und des Metallarbeiterverbandes KMWF Zutritt haben müssen. In beiden Verbänden ist die Daewoo Motor-Gewerkschaft Mitglied.

Die Einsatzleitung der Bereitschaftspolizei, die seit Wochen das Betriebsgelände bewacht und die entlassenen Arbeiter vom Betreten abhält, zeigte sich jedoch von der richterlichen Unterstützung unbeeindruckt. Die Anweisung des Präsidenten stehe über dem Gesetz, soll der leitende Polizeioffizier nach Darstellung verschiedener Gewerkschafter den Demonstrierenden und den sie begleitenden Parlamentariern gesagt haben.

Die Gewerkschafter entblößten daraufhin aus Protest ihre Oberkörper und legten sich auf die Straße vor dem Werkstor. Nach einiger Zeit ordnete die Einsatzleitung die Auflösung des Protestes an. Die Beamten schlugen mit Stöcken und Schilden auf die am Boden Liegenden ein, wie Videoaufnahmen und Fotos belegen. Auch Tritte mit schweren Stiefeln wurden ausgeteilt.

Angaben der KMWF zur Folge wurden 50 Personen verletzt, darunter mehrere lebensgefährlich. Einem wurde das Rückgrat gebrochen, einem anderen beide Hände. Von gebrochenen Rippen wird berichtet, wie auch von einem Demonstranten, der beinahe erblindet sein soll. Einem verletzten Knochensplitter die Lunge. Insgesamt 24 Gewerkschafter mussten in Krankenhäuser eingeliefert werden, 21 wurden festgenommen. Zu den Verletzten gehörte auch der Gewerkschaftsanwalt, der die gerichtliche Order überbringen wollte. Zwei Tage nach dem Vorfall hat sich die nationale Polizeiführung bei der Daewoo-Gewerkschaft für den Vorfall entschuldigt und den Polizeichef von Inchon, der für die Vorfälle verantwortlich gemacht wurde, seines Postens enthoben.

Bei der KCTU macht man Präsidenten Kim Dae-jung und seine Wirtschaftsreformen für die Gewalt verantwortlich. KCTU-Vorsitzender Dan Byung-ho forderte den Präsidenten auf, sich zu entschuldigen und die Arbeiter persönlich im Krankenhaus zu besuchen. Außerdem wird die Freilassung der Verhafteten, die Aufhebung der Haftbefehle gegen Gewerkschaftsfunktionäre, die Rücknahme der Entlassungen und ein Stop der Verkaufsverhandlungen mit General Motors gefordert. Am 12. und 14. demonstrierten jeweils etwa 3.000 Arbeiter und Unterstützer gegen die Polizeibrutalität.

Die gewalttätige Repression ist der jüngste Höhepunkt einer mehrmonatigen Auseinandersetzung. Ende Februar hatte das Management die Entlassung von 1.750 Arbeitern in Inchon verkündet, nachdem Verhandlungen mit der Gewerkschaft gescheitert waren. Mehrere tausend Bereitschaftspolizisten brachen daraufhin eine Betriebsbesetzung in dem betroffenen Werk ab. Seit die Produktion Anfang März wieder aufgenommen wurde, arbeiten die verbliebenen Beschäftigten unter Polizeibewachung. Im Stadtteil Pubyong, in dem die Fabrik liegt, herrscht Versammlungsverbot. Mehrfach wurden Proteste der Entlassenen und ihrer Angehörigen gewaltsam aufgelöst. U.a. wurde eine Frau mit ihrem einjährigen Kind drei Tage wegen Teilnahme an einer Demonstration in Polizeihaft gehalten.

Unterdessen berichtet der konservative "Korea Herald", dass die gewalttätige Unterdrückung der Daewoo-Arbeiter die diesjährigen Tarifauseinandersetzungen verschärfen könnte. In der Öffentlichkeit sei die Stimmung eindeutig auf Seiten der Arbeiter. Die Verhandlungen beginnen Anfang Mai und werden auf Konzernebene geführt. Flächentarifverträge sind in dem ostasiatischen Land unbekannt, obwohl Teile der Gewerkschaftsbewegung seit Jahren versuchen, ein System der Industriegewerklschaften vergleichbar mit dem europäischen Modell durchzusetzen.

Ebenfalls Mitte April wurden elf führende Vertreter eines neugegründeten Verbandes der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von den Strafverfolgungsbehörden vorgeladen. Es werde überprüft, ob sie gegen ein Verbot kollektiver Betätigung, d.h. ein quasi-Gewerkschaftsverbot für den öffentlichen Sektor, verstoßen haben, berichten Zeitungen in Seoul. Sowohl die KCTU als auch die konservativere FKTU protestierten energisch gegen diese Kriminalisierung und wandten sich an die Internationale Arbeitsorgaisation ILO um Unterstützung.

(wop)

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