Betrieb und Gewerkschaft

1. Mai in Kiel

Schwammige Allgemeinplätze

Weniger als 1000 Menschen fanden sich dieses Jahr auf der traditionellen 1.Mai-Demo in Kiel ein. Es mag Zufall gewesen sein, aber es standen diesmal keine RednerInnen der SPD auf der Bühne. Möglicherweise hatte der Vorbereitungsausschuss dem angeschlagenen Image der Regierungspartei unter den Arbeitnehmern Tribut gezollt.

Dem diesjährigen Motto "Zukunft braucht alle Köpfe - Mitbestimmung gewinnt" wurden auch die Hauptredner auf der Bühne vor dem DGB-Haus in der Legienstraße gerecht. Deren schwammigen Allgemeinplätzen war wenig Aufregendes abzugewinnen. Horst Herchenröder (DGB KERN-Region) versuchte gar die Existenzberechtigung und Kompetenz von Betriebsräten damit zu belegen, dass Mitglieder aus diesem Kreis häufig in die Geschäftsleitung von wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen berufen werden. Nun ja.

Hinrich Feddersen vom Verdi-Bundesvorstand zeigte etwas mehr Mut und klagte über die von Schröder losgetretene Faulenzer-Debatte ebenso wie über die absurden Vorschläge der Grünen zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes (Stichworte: Betriebsrat Light, Mindestwahlbeteiligung). Er drohte den Regierungsparteien mit Liebesentzug bei den 2002 anstehenden Bundestagswahlen.

Christian Godau (Betriebsrat AWO) machte auf die prekäre Situation des Sozialdienstes aufmerksam. Die Geschäftsführung Schleswig-Holsteins der AWO plane den Ausstieg aus dem Manteltarifvertrag und eine Umstrukturierung des Einkommensgefüges mit der Einführung von Leistungskomponenten. Die Hamburger KollegInnen hätten bereits bei der letzten Tarifrunde unter dem Eindruck von drohenden Stellenkürzungen auf Weihnachtsgratifikationen und Urlaubsgeld weitgehend verzichtet.

Hans-Ulrich Stangen (Betriebsrat HDW) erinnerte an Morddrohungen von Nazis gegen Gewerkschafter

Für den "Runden Tisch gegen Rechts" sprach Hans-Ulrich Stangen (Betriebsrat HDW). Er erinnerte noch einmal an die Morddrohungen von Nazis gegen den IG Metall-Funktionär Uwe Zabel in Elmshorn im letzten Jahr als Initialereignis zur Gründung des Runden Tisches.

"Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen" sei die Losung, die von Gewerkschaftern endlich ernst zu nehmen sei. Der deutsche Neofaschismus sei keine Bedrohung ohne Gesicht. Man solle die Nazis endlich beim Namen nennen - seien es Parteien wie DVU und NPD oder Rädelsführer wie Christian Worch und Peter Borchert. Auf der anderen Seite seien auch die Forderungen der demokratischen Kräfte zu konkretisieren, wie es der Runde Tisch mit seinem Forderungskatalog bereits getan habe. Er nannte u.a. die Verweigerung von Plakatflächen für Naziwerbung und die Unterbindung von Nazi-Aktivitäten auf Straßen und in öffentlichen Einrichtungen. Nicht zuletzt sei aber auch über alternative Gesellschaftsmodelle nachzudenken, in denen Faschismus keine Chancen habe. Angesichts der in zahlreichen Städten am 1. Mai stattfindenen Demonstrationen der Faschisten forderte er, unsere Solidarität müsse den Verhinderern der Nazi-Demos gelten.

Dort, wo Gewerkschaftsmitglieder genau dies versucht hatten, war die Begeisterung über so viel Zivilcourage nicht bei jedem DGB-Funktionär groß: In Frankfurt a.M. hatten rund 1.500 vornehmlich gewerkschaftlich organisierte KollegInnen den Marsch der Nazis weitgehend verhindert. Und dies trotz des massiven Einsatzes von Wasserwerfern und Knüppeln durch die Frankfurter Ordnungsmacht. Der lokale DGB-Vorsitzende versuchte die Widersprüche zu glätten: Unsere Solidarität gehöre den Kollegen von der Polizei ebenso wie jenen Demonstranten, die sich den Faschisten in den Weg gestellt hätten. Die HBV urteilte: "Wenn die Polizei nicht wäre, hätten wir ein Massaker in der Stadt". (mk)

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