Internationales

Philippinen:

Neue Regierung, altes Elend

Auf den Philippinen fanden am Montag letzter Woche Parlaments- und Kommunalwahlen statt. Allem Anschein nach hat Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo und die sie unterstützenden bürgerlichen Parteienkoalition diesen ersten Test bestanden. Im Januar hatte sie den gewählten Präsidenten Estrada abgelöst, gegen den schwere Vorwürfe der Korruption und Unterschlagung erhoben worden waren. Arroyo, die unter Estrada zunächst Vizepräsidentin gewesen war, hatte sich zuletzt an die Spitze einer breiten Volksbewegung gestellt, die mit wochenlangen Demonstrationen den Rücktritt des ehemaligen Leinwandhelden erzwang.

Das amtliche Endergebnis wird frühestens Ende dieser Woche erwartet, doch zeichnet sich laut Meinungsumfragen ab, dass Arroyos Koalition 8 der 13 zu wählenden Senatoren stellen wird und somit auch in dieser 24-köpfigen Kammer die Mehrheit haben wird. Im Abgeordnetenhaus, dessen 262 Mitglieder sämtlich neu gewählt wurden, war ihr eine Mehrheit nach Einschätzung von Beobachtern kaum streitig zu machen. 214 Parlamentssitze werden nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben, nur etwa 48 werden nach dem Stimmenanteil der Listen besetzt. Einer letzte Woche durchgeführten repräsentativen Erhebung zur Folge verteilen sich die Listenstimmen auf zahlreiche Parteien. Unter anderem hat Bayan Muna, ein der Kommunistischen Partei und ihrer Guerillaarmee nahestehendes Bündnis gute Chancen mit etwa 7% der Stimmen im Parlament vertreten zu sein.

Ungewiss ist noch, ob die kleine linke Organisation Akbayan, eines der vielen Spaltprodukte der einst erfolgreichen KP und ihres Umfeldes, wieder im Abgeordnetenhaus vertreten sein wird. In der letzten Legislaturperiode hatte ihre erste und bisher einzige Abgeordnete Loretta Ann Rosales mit ihrer unbestechlichen Haltung für Furore gesorgt. Seit dem sie 1998 mit 500.000 Stimmen in den Kapulungan Mga Kinatawan (Abgeordnetenhaus) einzog hat ihre Partei, die einen Feldzug gegen Korruption, für Demokratie und lokale Autonomie und Entwicklung führt beachtlich an Zulauf gewonnen. Aus den 10.000 Mitgliedern, die im Februar 1998 die Organisationen gründeten, viele davon Veteranen der sozialen Bewegungen oder auch des Guerillakampfes, wurden inzwischen 80.000. Akbayan hat seinen Wahlkampf ganz dem Kampf gegen die so genannten Trapos, die traditionellen Politiker gestellt, den Korruption und Stimmenkauf zur Selbstverständlichkeit geworden ist.

Nach unterschiedlichen Angaben hat es bei zahlreichen Zwischenfällen im Wahlkampf 67 bis 79 Tote gegeben. Zusammenstöße gab es sowohl zwischen rivalisierenden Parteien, als auch zwischen den verschiedenen Guerillagruppen und den bewaffneten Kräften. Auch mindestens ein Zivilist wurde Opfer schießwütiger Polizisten. Sowohl die kommunistische als auch die islamische Guerilla bedrohte einige Kandidaten. Einer wurde von der kommunistischen Neuen Volksarmee mit der Begründung umgebracht, er sei in den Drogenhandel verwickelt.

Einige Kräfte im Sicherheitsapparat versuchten unterdessen im Vorfeld der Wahlen Unruhe zu schüren und Stimmung gegen die chinesisch-stämmige Minderheit zu machen, gegen die es wie in allen südostasiatischen Ländern ein rassistisches Ressentiment gibt. Anfang letzter Woche veröffentlichte die Polizei einen Geheimdienstbericht, nach dem 18 namentlich genannte chinesische Geschäftsleute angeblich eine Kriegskasse für die Unterstützung eines von Estrada-Anhängern geplanten Putsches angelegt haben sollen. Von rund 60 Mio. DM ist die Rede. Philippinische Zeitungen berichten, dass die Beschuldigten die Vorwürfe zurückweisen. Vermutlich soll mit derartigen Informationen die im Wahlkampf oft zitierte "Wut der Armen" auf die zum Teil wohlhabende Minderheit abgelenkt werden.

Am 1. Mai war es zu schweren Unruhen mit mehreren Toten gekommen, als ca. 50.000 Anhänger Estradas aus den wuchernden Slums der philippinischen Metropole den Präsidentenpalast belagerten. Unter den mehreren Hunderttausend Bewohnern der Elendsquartiere Metro Manilas hat der gestürzte Ex-Präsident nach wie vor viele treue Anhänger. Präsidentin Arroyo begab sich daher kurz vor der Wahl auf eine Good-will-tour zu den so genannten rauchenden Bergen, einer ehemaligen illegalen Müllkippe, die inzwischen in ein Wohnviertel umgewandelt wurde.

Als Wahlgeschenk brachte sie Geld für die Infrastruktur des Viertels mit, sowie das Versprechen, es werde künftig keine Militär- und Polizeioperationen in den Slums mehr geben, um nach Teilnehmern der Mai-Unruhen zu suchen. Bei einer derartigen Aktionen soll am 4. des Monats ein vierjähriges Kind ums Leben gekommen sein. Für die Bewohner der Elendsviertel ist die Auseinandersetzung mit den Streitkräften allerdings auch ohne Arroyos Versprechen Alltag. Immer wieder kommt es vor, dass Teile der oftmals schon seit Jahrzehnten existierenden und selbstorganisierten Gemeinschaften geräumt werden, weil auf ihrem Gebiet Straßen oder Industrieanlagen gebaut werden sollen.

Z.B. kämpfen die Bewohner des am Meer gelegenen Slums Lafarola seit Jahren gegen den Bau eines Containerhafens, der auf dem Gelände entstehen soll, dass sie in den 60ern dem Meer abgetrotzt haben. Der Hafenbau steht im Zusammenhang mit der stark exportorientierten Politik der philippinischen Regierungen, die mit günstigen Bedingungen für ausländisches Kapital in Sonderwirtschaftszonen, den Inselstaat zum Dorado für arbeitsintensive Prozesse gemacht hat, die allerdings wegen ihrer geringen Fertigungstiefe und den niedrigen Löhnen, kaum einen positiven Effekt für die heimische Volkswirtschaft hat. Präsidenten Arroyo versprach dem Internationalen Währungsfond erst kürzlich, an dieser Politik festhalten zu wollen.(wop)

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