Kommentar

ver.di goes BDI

Das ist ja wirklich ein toller Start. Der Verein ist noch nicht mal richtig existent, da hetzt er schon aus vollen Rohren gegen Streikende. Nein, die Rede ist nicht von einem neuen Kapitalistenverband, sondern von ver.di. Die soziale und tarifliche Ausgewogenheit sei bedroht, heißt es bei deren Vorstand. ver.di-Vize Margret Mönig-Raane sieht gar "blanken Sozialdarwinismus" am Werke.

Wir lernen: Wenn Lohnabhängige nach zehn Jahren Lohnverzicht und -einbußen von rund 30 % meinen, es ist an der Zeit, einen Teil vom Kuchen zu verlangen, dann ist das "Sozialdarwinismus". Wenn hingegen ver.di sich bei einem Konzerngewinn von rund zwei Mrd. DM im Jahre 2000 (rund die Hälfte dessen, was es weltweit an Profit in der Branche gab), mit lächerlichen 3,5% zufrieden gibt, dann ist das verantwortungsvolle Politik.

Die Cockpit-Vereinigung hat wohl nicht ganz unrecht, wenn sie meint, dass sich hinter dem Unmut des Bodenpersonals vor allem der Groll über den eigenen Abschluss verbirgt. Insofern wird auch das Gegeifer der verdi-Funktionäre verständlich: Sie werden von den Piloten schlichtweg vorgeführt und müssen daher besonders laut schreien, um davon abzulenken, dass sie vor lauter Besoffenheit von ihrem Standortfusel nicht mal mehr die simpelsten Aufgaben einer Gewerkschaft wahrnehmen, nämlich zumindest dann beim Lohn ordentlich was rauszuholen, wenn die Kassen der Kapitalisten für alle offensichtlich am überquellen sind.

Gewerkschaftspolitisch ist das Verhalten von ver.di eine Katastrophe: Beschäftigte werden gegeneinander aufgehetzt, Solidarität verkommt vollends zu einer leeren Worthülse für hohles 1.Mai-Gedröhn. Das Verhalten verdis wäre übrigens selbst dann ein Skandal, wenn man den Argumenten der Piloten nicht folgen mag. Wie soll denn Zusammenhalt zwischen den Lohnabhängigen entstehen, wenn man sich im Arbeitskampf gegenseitig in den Rücken fällt, sobald einem die Forderung des anderen nicht passt?

Nein, der Pilotenstreik zeigt allzu deutlich, dass alle Hoffnungen, die Mancher gehabt haben mag, mit der neuen Gewerkschaft werde es auch neue Politikansätze geben, eine Hinwendung zu einer besseren Interessenvertretung, vergebens sind: Der Apparat ist und bleibt ein Dinosaurier, vom dem nichts zu erwarten ist. Und die (Gewerkschafts-)Linke muss sich einmal mehr sagen (lassen): Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Die Piloten setzen gerade für den Rest Maßstäbe. (wop)

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