Verkehr

Fahrradkarawane gegen A20:

Den Widerstand neu beleben

Im südlichen Landesteil sorgen Pläne, die Ostseeautobahn (A20) von Lübeck aus Richtung Elbe zu führen, wo diese stromabwärts von Hamburg voraussichtlich mittels eines Tunnels gequert werden soll, für erheblichen Unmut. Umweltschützer wollen Anfang Juni mit einer Fahrradkarawane durch das Land ziehen, um gegen den geplanten Autobahnbau zu protestieren.

In den betroffenen Landkreisen und Gemeinden sind seit dem Herbst vorigen Jahres eine ganze Reihe Bürgerinitiativen neu entstanden, die allerdings schon auf mehrere Jahre Protesterfahrung in der Region gegen den Autobahnbau zurückblicken können. Schließlich ist das Projekt bereits seit längerem Teil des Bundesverkehrswegeplans, weshalb vielen in den Landkreisen am Hamburger Stadtrand bekannt war, dass mittelfristig auch sie vom Bau der Ostseeautobahn in Mecklenburg-Vorpommern betroffen sein würden.

Einige Kreisverbände der Grünen hatten 1996 massiv mit Argumenten gegen den A20-Bau Wahlkampf betrieben. Als dann allerdings die einstige Öko-Partei erstmalig in den Kieler Landtag einzog, sah die Sache plötzlich ganz anders aus: Gegen innerparteilichen Widerstand legte sich der Landesverband im Koalitionsvertrag mit der SPD auf den Straßenneubau fest. Entsprechend groß war vor Ort der Unmut, der schließlich, so manchen aus der Partei trieb. Die Abmachung betraf zunächst nur den Bau östlich von Lübeck. Die Fortführung der A20 zur Elbe war 1996 zwar schon in der Diskussion, wurde jedoch noch nicht zwischen den Koalitionspartnern vereinbart. Das geschah vier Jahre später im nächsten Koalitionsvertrag, der dem Autobahnbau höchste Priorität einräumte.

karawane_plakat

Dennoch beteiligen sich derzeit auch Grüne Kreisverbände und Ortsgruppen an den Protesten. Die geplante Fahrradkarawane wird jedoch nicht von ihnen, sondern von verschiedenen Jugendumweltprojektwerkstätten organisiert, die dabei von den Bürgerinitiativen unterstützt werden. Treffen ist kurz vor Erscheinen dieser Ausgabe am 7.6. in Elmshorn. Von dort soll es in vier Tagen bis nach Lübeck gehen. Geplant sind Aktionen und Happenings entlang der Route, um auf das Anliegen aufmerksam zu machen.

"Mit der Anti-A20-Karawane wollen wir den Widerstand gegen die A20 neu beleben. Sie soll die Grundlage für weiteren überregionalen Protest, gegen weitere Straßen durch Land, sein" so Anne Lanfer, eine der Organisatorinnen der Karawane, die keinen Zweifel an ihrem Widerspruch lässt: "Wir lassen uns keine Trassendiskussion aufzwingen, sondern unser Protest richtet sich grundsätzlich gegen den Bau der A20".

Die rechtlichen Grundlagen des A20-Baus seien fraglicher denn je und auch das Geld sei derart knapp, dass fraglich ist, wie das Projekt finanziert werden kann. Dennoch, so Jörn Hartje von der Umweltwerkstatt in Oldesloe, "lassen die Politiker bisher keinerlei Einsicht zu einer Trendwende in Sachen Verkehrspolitik erkennen sondern postulieren immer noch die ‘zügige Fortführung der Verkehrsprojekte deutsche Einheit’." Und das, obwohl längst klar sei, dass neue Straßen keine Verkehrsprobleme lösen.

Auch bei den Grünen im Kreis Pinneberg, einer der Landkreise, durch den die neue Autobahn führen würde, weist man auf die hohen Kosten des Straßenverkehrs hin, die zum größeren Teil nicht von den Autofahrern übernommen würden. Man hat sich zwar für eine Mautlösung zumindest für die Querung der Elbe entschieden. Doch Karl-Martin Hentschel von der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen rechnet vor, dass selbst dann Bau und Betrieb eines Tunnels bezuschusst werden müssten. Insgesamt rechnet er damit, dass das ganze Projekt auch im Falle einer Tunnelmaut zu 80% aus den öffentlichen Kassen finanziert werden müsste. Geld, dass seiner Ansicht nach besser direkt in die regionale Wirtschaftsförderung zu investieren wäre. Allerdings steht auch seine Unterschrift unter dem Koalitionsvertrag.

Seitens der Unternehmerverbände und der übrigen Parteien wird gern und oft mit notwendiger Marktanbindung und dem zunehmenden Transitverkehr aus Skandinavien argumentiert. Die Autobahnkritiker verlangen hingegen, dass die Bahn als Alternative stärker ausgebaut wird. Doch außer den inzwischen üblichen diesbezüglichen Lippenbekenntnissen ist im Land in dieser Hinsicht bisher wenig geschehen. Ein gutes Beispiel, wie wenig ernsthaft eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene angegangen wird, ist die Rendsburger Hochbrücke, ein Nadelöhr, durch das der Eisenbahnverkehr auf der Nord-Südtrasse den Nord-Ostsee-Kanal überquert. Die ist wegen Überalterung derzeit nur eingeschränkt benutzbar, sodass sich seitdem in Dänemark die Brücken und Tunnels an den Belts fertig sind, der Eisenbahn-Güterverkehr bei Rendsburg staut. Trotz jahrzehntelanger Planungs- und Bauarbeit an der Beltquerungen ist offensichtlich nie jemand auf den Gedanken gekommen, auch in Schleswig-Holstein das Schienennetz auf die neuen Anforderungen auszurichten.

(wop)

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