Lokales

Zur Debatte der Situation in Kiels Altenpflegeheimen im Rat

Über die Einsamkeit der Sterbenden

Vor kurzem berichteten die Kieler Nachrichten mal wieder über unerträgliche Zustände in einem Kieler Pflegeheim. Diesmal traf es das Günter-Lütgens-Haus, ein Pflegeheim der städtischen Pflege-GmbH. Anfang des Jahres waren die Häuser der Diakonie in der öffentlichen Diskussion, ein Jahr davor das Lisa-Hansen-Haus, Träger diesmal das Kieler Stadtkloster. Wer der Träger der einzelnen Häuser ist, spielt also keine Rolle.

Auch bei den berichteten Mängeln sind bestenfalls qualitative Unterschiede festzustellen. Im Grunde sind diese aber überall gleich und auch wahrlich nicht neu: Medikamentenmissbrauch, falsche Ernährung, qualitativ schlechte Pflege, räumliche Mängel in den Häusern usw. sind nur Überschriften, die eine Problematik kennzeichnen, welche für die stationäre Altenpflege mittlerweile zur Normalität geworden sind.

Dies belegen auch die bisherigen Ergebnisse des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), die seit geraumer Zeit alle schleswig-holsteinischen Heime untersuchen. Wer trägt aber die Verantwortung für diese Missstände? Blicken wir hierfür noch mal kurz auf das aktuelle Beispiel des Günter-Lütgens-Hauses (GLH). Aufgeschreckt wurde Kiels Politik eben durch einen Bericht des MDK. Dieser Bericht deckte im GLH zahlreiche Mängel bei der Pflegeplanung und -dokumentation, Missstände bei Hygiene und Ernährung sowie schwerwiegende räumliche und personelle Mängel auf. Die Debatte, die hierzu im Kieler Rat stattfand, zeigte mal wieder die Unkenntnis und das Desinteresse aller PolitikerInnen. Die CDU sieht ihr Heil mal wieder in einer Privatisierung und tut so, als ob diese Art der Politik VerbraucherInnen und MitarbeiterInnen bisher irgendwelche Vorteile gebracht hätte. Außerdem sind die Probleme der stationären Altenarbeit nun wahrlich keine, die nur die kommunalen Träger betreffen würden.

Dies sieht auch der sozialpolitische Sprecher der SPD, Thomas Wehner, so. Er will die Betreuung der Pflegebedürftigen in den Vordergrund stellen und plädiert auch für die vorläufige Schließung von den Heimen, in denen schwerwiegende Pflegemängel auftreten. Netter Gedanke, aber ist das auch praktikabel? Ist bei einer konsequenten Umsetzung dieses Gedankens denn nur das GLH von der Schließung bedroht? Überlastungsanzeigen von MitarbeiterInnen gab und gibt es aus fast allen Häusern.

Das war auch beim GLH nicht anders, wie Ute Adler, die Vorsitzende des städtischen Personalrates, auf der Ratsdebatte berichtete. Schon 1997, 1998 und 2000 gab es diese Überlastungsanzeigen aus dem GLH. Es gab eben nur keine Reaktion darauf, auch Bürgermeisterin Bommelmann soll über die Situation im Haus informiert gewesen sein. Unglücklicherweise konnte sie sich daran nicht mehr erinnern und gab den Schwarzen Peter gleich wieder an die MitarbeiterInnen vor Ort zurück: "Verantwortung für die konkrete Pflege kann nicht mit überlastungsanzeigen weggebügelt werden", so Bommelmann.

Aus dieser Aussage spricht nicht nur Unwissenheit über die Situation in den Häusern, sondern auch eine gehörige Portion an Arroganz gegenüber den sich zu einem großen Teil immer noch aufopfernden Pflegekräften. Dabei weiß sie selbst, wie verbesserungswürdig die Pflegesituation in Kiel ist. In ihrem eigenen Konzept (siehe Kasten) fordert sie den Oberbürgermeister auf, insbesondere die Situation in den Kieler Pflegeheimen zu verbessern.

So wichtig und richtig viele Punkte dieses Konzeptes sind, fehlt doch ein wesentlicher Bestandteil. Der wichtigste Punkt für eine patientenorientierte und qualitativ gute Pflege ist immer noch ausreichend Personal, welches über Aus-, Fort- und Weiterbildung auch dazu in der Lage ist, die gesetzten Kriterien zu erfüllen. Dazu wird in dem Konzept allerdings keine Stellung genommen. So bleibt es also wie es immer war: Auf dem Papier werden mehr oder weniger konkrete Maßnahmen konzipiert ohne das über ihre mögliche Umsetzung vor Ort nachgedacht wird. Die Leidtragenden sind das Pflegepersonal, die noch mehr Aufgaben übertragen bekommen, die sie nur unzureichend erfüllen können und die Pflegebedürftigen, die unter dem überarbeiteten und überforderten Pflegepersonal zu leiden haben. (oc)


Konzept zur Verbesserung der Pflegesituation in Kiel

Neben der Aufforderung an den Oberbürgermeister, sich beim Sozialministerium dafür einzusetzen, dass psychisch Erkrankten (Demenz, Alzheimer etc) eine Verbesserung ihrer Pflegesituation ermöglicht wird, soll ein Maßnahmenkonzept "Pflege 2001" entwickelt werden, um den Pflegestandard in den Pflegeheimen zu verbessern. Dafür wird eine trägerunabhängige Beratungsstelle gegründet, die Heimaufsicht soll auf zwei halbe Stellen erweitert werden (!) und es soll eine Beschwerdestelle entstehen. Außerdem soll mehr Transparenz geschaffen werden, indem der Ratsversammlung einmal im Jahr ein Bericht über die Situation der Kieler Pflegeheime vorgelegt wird und die Stärkung der Heimbeiräte vorangetrieben werden soll. Alle diese Punkte dienen der notwendigen Kontrolle, verändern aber nicht mal ansatzweise die Probleme vor Ort. Auch bei den übrigen Punkten werden nur Rahmenbedingungen angesprochen: die Fortführung der städtischen Altenpflegeschule, (wäre dringend nötig, um weiterhin eigenes Personal zu qualifizieren), die Hospizbewegung soll gestärkt werden, die Arbeit von Angehörigen und Ehrenamtlichen institutionalisiert werden und ein geeignetes Qualitätsmanagement eingeführt werden.

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