Kommentar

...nicht einmischen!

Die Rendsburger "Landeszeitung" hat den Neoliberalismus abgrundtief verstanden. Große Überschrift: "Bevölkerung leidet unter Straßenlärm". Was kommt nun? Eine Klage über die jahrzehntelange verfehlte Verkehrspolitik? Das Konzept der mobilen Dienstleistungsgesellschaft in der Krise? Kleiner Trailer: "Umweltbundesamt: Jeder muss sein Lärmverhalten überdenken". Ach ja, richtig: Politik mischt sich doch nicht mehr ein. Es liegt daran, dass wir unsere 40 Mio. Blechkarossen einfach etwas leiser bewegen sollten. Folgerichtig heißt es im zweiten Absatz dann schon: "Zu den vermeidbaren Lärmbelästigungen gehöre das Aufdrehen von Fernseher und Radio, das Reifenquietschen ..." - und natürlich das unnötig laute Bestellen von Drinks beim Start vom Flughafen Holtenau, fügen wir eifrig hinzu.

Warum sollen Kernkraftwerke in 20 bis 30 Jahren abgeschaltet werden, aber nicht heute? "Die weltweit bestehenden Risiken, die bislang als sozialadäquate Restrisiken toleriert wurden, sind, so weit der deutsche Gesetzgeber auf sie einzuwirken vermag, nach Auffassung der Bundesregierung nur noch für einen begrenzten Zeitraum hinnehmbar." Das ist der Formelkompromiss in der Präambel der Atomgesetznovelle, nachdem die Betreiber moniert hatten, im ursprünglichen Entwurf werde die Atomkraft "als unverantwortliches Teufelszeug gebrandmarkt". Das sah Jürgen Trittin flugs ein: Einen solchen Eindruck dürfe die Begründung schon deshalb nicht machen, weil sie Rechtssicherheit für die AKW-Betreiber herstellen müsse, anderenfalls "hätten womöglich Richter unter Berufung auf die Begründung entschieden, die Nutzung einer so gefährlichen Technologie müsse sofort eingestellt werden und nicht erst in etwa 20 Jahren". Ein Beißholz, bitte!

Eine Wohltat ist es da, das Zentralorgan des hanseatischen Kapitals zu lesen. WELT-Kommentator Adam hält mit seinen Ansichten zur Bundestagsdebatte um Risiken und Nutzen der Biotechnologie nicht hinterm Berg: "Es fehlten die gereizten, lauten Töne... Der Wunsch nach einem Moratorium beweist aber keine Gestaltungsmacht; er ist ein Zeichen von Schwäche." Den Fortschritt aufhalten, ist sowieso falsch. Darüber nachdenken aber ist Schwäche! Sicher drastisch, aber doch auf einer Linie mit Umweltbundesamt und Trittin: Wer nachdenkt, will womöglich regulierend eingreifen; regulierende Eingriffe, das ist Politik; Politik mischt sich nicht ein; also lohnt das Nachdenken nicht. Die Botschaft wird überall verstanden.

Wer aber soll das verstehen: "Zur gemeinen Nachrichtenkonsumentin an und für sich konnten wir mitnichten widersprechende Botschaften versenden. Ein Grund dafür ist, daß die bürgerlichen Medien schlichtweg nicht dort waren, wo wir waren, was ja auch sein Gutes hat." Autonome Frauen in der aaa-Dokumentation zum Gorleben-Castor. Soll das etwa heißen, die Autonomen hätten an der Strecke was gerissen, von dem die Welt nicht erfahren hat? Weil sie nicht in der Lage waren, Nachrichten zu verschicken? Oder weil es auch keiner erfahren durfte? Schon gar nicht die bürgerlichen Medien? "Die Botschaft, die in der übrigbleibenden Form nicht mehr vorkommt, ist die Suche nach einem Leben jenseits der Eingleisigkeit der herrschenden Verhältnisse." Hierdrin ist sie jedenfalls auch nicht, die Botschaft. Sie kommt nicht mehr vor. (bg)

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