KERNspalte

Jetzt haben alle unterzeichnet, woran sie sich nicht langfristig gebunden fühlen. E.ON- und Sydkraftchef Harig reibt sich die Hände: "Die Vereinbarung mit der Bundesregierung hat aber keine unmittelbaren wirtschaftlichen Nachteile". Zur Feier des Tages macht er allen Schleswag-Kunden ein Angebot, das wir nur schwer abschlagen können: Atomstrom, kostenloses Gehaltskonto, ein Genossenschaftsanteil an der Sparda-Bank sowie ein Monat kostenloser Strombezug im Paket - ist das überhaupt noch zu toppen? Es ist, und dafür eignet sich am besten die Hamburger Konkurrenz, zur Zeit in Händen der schwedischen Vattenfall: Schlemmen - Flirten - Strom verbrauchen - unter diesem Motto bietet HEW Kochkurse für Singles an. Im Kochen offenbare sich der Zusatznutzen des Stroms, philosophiert HEW-Sprecher Mario Spitzmüller. 48% der Hamburger Haushalte bestehen nur aus einer Person, die wollen umworben sein. Während es den Lehrgangsleitern eher um die Vermittlung solch grundlegender Fähigkeiten wie gezieltem und exzessivem Atomstromverbrauch geht, schätzen die meist schüchternen KursteilnehmerInnen vor allem die (durch Sekt) gelöste Stimmung und Begegnung mit dem anderen Geschlecht. Der Berliner BEWAG sind die Singles egal. Sie wendet sich mit ihren "Kochclubs für Journalisten" lieber direkt an diejenigen, die hinterher auch noch drüber schreiben können. Glückliche, verarmte Hauptstadt!

Die Unterzeichnung des sog. Atomkonsens hatte unterschiedliche Echos. Regierungssprecher Bela Andas "pacta sunt servanda" (Verträge sind zu erfüllen, also ungestörter Weiterbetrieb) steht ein "in einigen Jahren neu bewerten" (also keine Abschaltung, sondern Neubau) der EVUs gegenüber. Was Grünen-Chefin Claudia Roth zu einem Appell ans Wahlvolk veranlasste: Es sei wichtig, dass die Grünen nach der Bundestagswahl in der Regierung bleiben, um den Atomausstieg auch künftig voran zu treiben. Jetzt ist auch klar, warum der gar nicht schnell und unumkehrbar kommen durfte - da hätte es ja keinen Anreiz mehr gegeben, 30 Jahre lang Jürgen Trittin zum Bundeskanzler zu wählen und Claudia Roth in der Rolle der Condoleezza Rice für Arme zu ertragen.

Trittins trügerischer Schein

Eine 80-seitige Dokumentation der anti-atom-aktuell-Redaktion zu den diesjährigen Transporten nach Gorleben und in die Plutoniumfabriken ist ab sofort für 8 DM im Buchladen Zapata zu haben. Derweil ist der nächste Gorleben-Transport schon genehmigt, Zeitrahmen: 1. August bis 31. Dezember.

Fast routinemäßig gehen jetzt die nächsten Castortransporte vonstatten, wenngleich jedesmal einige tausend Beamte eingesetzt werden. Am 11. Juni gab’s wieder einen von Biblis und Philippsburg nach La Hague, in dessen Verlauf 19 Atomkraftgegner festgenommen wurden. Wesentliche Behinderungen gab es zwar nicht, aber immerhin besetzten ca. 100 Menschen in Biblis und Lampertheim kurzfristig die Gleise. Auch in Frankreich wurde der Zug drei Stunden aufgehalten.

Die Bush-Administration will bekanntermaßen die Atomkraft ausbauen. Zunächst verlängerte sie die Betriebsgenehmigungen von fünf Reaktoren, die planmäßig nach 40 Jahren ablaufen und nach heutigen Standards nicht genehmigungsfähig sind. Nach Aussagen von US-Umweltschützern ist jedoch fraglich, ob aus diesen betagten Bauwerken Industriedenkmäler oder eher rauchende Ruinen werden. (bg)

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