Globalisierung

Klassekampen, Mo., d. 18.06.2001 (Norwegische linke Tageszeitung)

Göteborg: Polizei bricht Grundgesetz

Polizei hat das Grundgesetz gebrochen

Polizeigewalt: Dieses Wochenende hat Schweden eine Brutalität von Seiten der Polizei erlebt, die in der Geschichte Schwedens ohnegleichen ist, betont die schwedische Linkspartei (Vänsterpartiet). Sie beschuldigt die Polizei des Bruchs des schwedischen Grundgesetzes.

In Göteborg: Eline Lønnå, Espen Løkeland und Trond Brubak

Das Ganze begann am Donnerstag vormittag, als die Polizei die Hvitfeldtska Schule in Göteborg stürmte. Mehrere hundert DemonstrantInnen wurden eingeschlossen gehalten. Rund 400 DemonstrantInnen wurden kollektiv festgenommen, da die Polizei die Auffassung vertrat, dass sie einer Gruppe zugehörten, die Gesetzesverstöße ausüben könnten.

Andere Gründe als die Furcht vor Gesetzesverstößen legte die Polizei zu keinem Zeitpunkt vor. Es wurden zu keinem Zeitpunkt Waffen oder andere Beweise gefunden, die an dieser Schule in Richtung unerlaubter Handlungen wiesen. Die Polizei ging mit großer Härte gegen die DemonstrantInnen zu Werke, mehrere wurden brutal mit Kampfstöcken (batonger) geschlagen, was massive Proteste von Seiten der Veranstalter der Massendemonstrationen, die während des Gipfeltreffens in Göteborg abgehalten wurden, auslöste.

Bereits ausserhalb Hvitfeldtskas kam es zu ersten Zusammenstößen zwischen DemonstrantInnen und der Polizei. Der Rest des Wochendes wurde von blutigen Schlachten geprägt, die ihren Höhepunkt fanden, als drei Demonstranten von einem Polizeibediensteten mit scharfer Munition angeschossen wurden. Nach dem Gipfeltreffen stellen sich im Zusammenhang mit dem Auftreten der Polizei eine Reihe von Fragen, die sowohl mit kollektiven Arrestationen als auch nachweislich von der Polizei ausgeführten Gewalthandlungen verbunden sind.

Schwedisches Nachspiel

Das Auftreten der Polzei während des Gipfeltreffens bekommt ein Nachspiel in Schweden. Das Reichstagsmitglied der Vänsterparti, Kalle Larsson, wird die Sache sowohl vor dem schwedischen Reichstag als auch gegenüber dem schwedischen Justizminister Thomas Bodström zur Sprache bringen. Larsson betont, dass die Polizei das schwedische Grundgesetz gebrochen haben könne.

Larssons wichtigste Anklage bezieht sich auf den Auftritt der Polizei am Samstag abend, als mehrere hundert DemonstrantInnen ohne Vorwarnung und ohne, dass ihnen mitgeteilt worden war, wessen sie beschuldigt wurden, von der Polizei umzingelt und annäherend vier Stunden eingesperrt gehalten worden waren.

– Damit eine Demonstration als gesetzeswidrig gelten könne, muss entweder zuvor um eine Genehmigung nachgesucht worden sein und diese ablehnend beschieden worden sein, oder die Polizei müsse zu einer Demonstration kommen, und deren Auflösung fordern, weist Larsson darauf hin.

Demonstrationsverbot

Nichts davon traf zu, als sich einige Hundert DemonstrantInnen am Samstag auf dem Järntorget versammelten, um gegen Polizeigewalt zu protestieren, nachdem am Freitag abend drei Demonstranten von der Polzei angeschossen worden waren. Die Polizei hat zu keinem Zeitpunkt darum gebeten, die Demonstration aufzulösen, bevor mehrere Hundert bewaffnete Polizeibedienstete sie umringt hatten.

– Dies stellte einen massiven Angriff einer Polizei dar, die keinen Grund dazu hatte, auf diese Art und Weise zu reagieren. Sie hat die Demonstrationsfreiheit beiseite gesetzt, und daher wahrscheinlich das schwedische Grundgesetz gebrochen, sagt Larsson.

Der Reichstagsabgeordnete weist darauf hin, dass von Seiten der DemonstrantInnen keine Gewalt angewendet worden war. Der Fotograf von Klassekampen war anwesend, und erzählt das Gleiche, ebenso wie eine Reihe anderer AugenzeugInnen.

Provozierte Larsson unterstreicht, dass die Polizei das Recht habe, gegenüber Leuten zu reagieren, die Gewalt anwenden. Die Vänsterparti äußerte auch ihren Protest, als die Pflastersteine hagelten. Aber obgleich er der Ansicht sei, dass die gewalttätigsten Demonstranten in der Praxis den Interessen der Gegenseite dienen, und Abstand von der Gewalt von Demonstranten nehme, betont Larsson, dass die Polizei einen großen Anteil der Veranwortung für das Geschehen trage.

– Die Polizei hat bei verschiedenen Anlässen provoziert, sagt Larsson und verweist u.a. auf die Aktion in Hvitfeldska. Diese Aktion war klar unnötig, meint Larsson.

Der Reichstagsabgeordnete ist empört über die Dokumentationen, die über den Angriff der Polizei sowohl auf friedliche als auch auf gewalttätige DemonstrantInnen vorgelegt worden sind. Er verweist u.a. auf Pflastersteine, die von der Polizei auf ungeschützte DemonstrantInnen geworfen wurden, auf die abgefeuerten Schüsse und die willkürliche Arrestation von DemonstrantInnen ohne Beweisführung.

– Eine derartige Brutalität habe ich noch niemals zuvor von der schwedischen Polizei erlebt. Wir haben eine Reihe von Beispielen des Aufführens von Seiten der Polizei gesehen, die unter jeder Kritik liegen. Es ist eine besorgniserregende Entwicklung, deren ZeugInnen wir gewesen sind, die nichts in einer Demokratie zu suchen hat, sagt Larsson.

Norwegisches Nachspiel

Das Auftreten der Polizei wird auch ein Nachspiel im norwegischen Parlament haben. Die Stortingsabgeordnete Ågot Valle (SV, Sozialistische Linkspartei) wird die Sache ins norwegische Parlament einbringen.

In ihrer Eigenschaft als stellvertretende Vorsitzende von Nei til EU wird Valle auch die Initiative zu einem Protest gegen die schwedischen Behörden ergreifen.

Übersetzung: pf, Avanti - Projekt undogmatische Linke

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