Betrieb & Gewerkschaft

Betriebsverfassungsgesetz modernisiert!

Die Bewaffnung der Arbeiter erfolgt in den Betrieben durch die Betriebsräte. In erster Linie werden die Waffenkundigen bewaffnet (...) Die Betriebsräte haben anhand von Listen, welche Namen und Waffennummern enthalten, eine strenge Waffenkontrolle auszuüben". Im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) stand und steht dies nicht! Der "Vollzugsrat der Betriebs- und Soldatenräte Münchens" gab am 11.4.1919 diese Anweisung. In Folge der Rebellion der Matrosen in Kiel entstanden im Zuge der revolutionären Bewegung in Deutschland allerorten Arbeiter- und Soldatenräten – Räterepubliken wurden proklamiert.

Die Mehrheitssozialdemokraten (MSPD) halfen der Bourgeoisie politisch, die von vornehmlich aus Junkerskreisen stammenden Offizieren geführten konterrevolutionären Reichswehrtruppen militärisch, die "sowjetischen" Ansinnen und Taten in Deutschland zu beenden. Die parlamentarische Demokratie wurde installiert und 1920 das Betriebsrätegesetz eingeführt.

1952 wurde das 1. BetrVG in der BRD verabschiedet. 1972 erfolgte unter der sozialliberalen Koalition eine Novellierung. (Vgl. LinX 04/01) Nach 30 Jahren nun eine weitere Novellierung, womit die Regierungsparteien gegenüber den Gewerkschaften ein Wahlversprechen einhalten. 2002 sind die nächsten regulären Betriebsratswahlen!

Im ab 1. August 2001 geltenden BetrVG sind die wesentlichen Neuerungen:

Nicht viel! Im Wesentlichen wurde Richterrecht eingearbeitet. Eine Anpassung an die Zeit! Die Gewerkschaften haben mehr gewollt. "Mehr war nicht drin", ließen diese verlauten. Die Kapitalisten und ihre Verbände kritisieren die Regierung in dieser Frage als nicht deregulierungsfreudig! Wobei klar ist: Die Konzerne stört es wenig, für die Betriebsräte in den Großbetrieben ändert sich wenig!

Betriebsräte dürfen sich nach wie vor mit Listen befassen: Keine Waffenlisten a la 1919 – heute sind es Personal- u.a. Listen, die manchen zum bürokratischen Sachbearbeiter degenerieren lassen. Gegenwärtig gehen selbst Betriebsräte mit politischem Anspruch mehr den Weg der Kooperation (Co-Management) denn der Konfrontation mit den Unternehmensleitungen. Im Kieler Raum gab es in zwei Metallbetrieben hierzu passende "Bewegungen" im neuen Jahrtausend! Bei Wölk Cohntaktlinsen (Schönkirchen) und HDW wechselten die BR-Vorsitzenden die Position: Sie sind heute als Personal-Chefin/ Chef tätig! Ob hier mehr "Kampf" oder "Kooperation" im Spiel war und ob die Belegschaften oder die Unternehmensleitungen (oder gar beide Seiten?) zufrieden mit deren Amtstätigkeit waren, werden die dort Beschäftigten und Gewerkschafter am besten beurteilen können! Es steht zu vermuten, dass dies – im übertragenden Sinne – mehr Folgen "gestreckter" denn "geschulterter" oder gar "im Anschlag befindlicher" Gewehre waren.

Vor dem Hintergrund mangelnder gesellschaftlicher Perspektiven und attraktiver Organisationen, ist die um sich greifende Identifizierung mit den Unternehmenszielen nicht verwunderlich! Dreiviertel der Betriebsratsmitglieder sind zwar gewerkschaftlich organisiert, aber zunehmend weniger parteilich organisiert und aktiv. Selbst in den Großbetrieben ist die SPD als Betriebs(rats)faktor abgemeldet. Politisch links davon stehende dürfte dies zur klammheimliche Freude verleiten – wahre Freude ist angesichts eines mangelnden gar revolutionären Ersatzfaktors unangebracht.

Gewerkschaftliche Betriebs(rats)-Politik findet alltäglich in Verantwortung für direkt zu vertretende Menschen statt. Ob Gewerkschaften und Betriebsräte mehr Öl oder Sand im Getriebe des Kapitalismus sind – der Streit im linken Lager ist so alt wie die Gewerkschaften. Viele Betriebsräte sind – meist unbewusst – mehr Sand im Getriebe als manche""Freizeitindianer", die politischen Kampf in der Hauptseite über "Freizeitgefechte" mit dem "bewaffneten grünen Arm" der Bourgeoisie auslegen!

Das neue Betriebsverfassungsgesetz kann den Beschäftigten und Betriebsräten – vor allem in den Kleinbetrieben – eine Hilfe sein. Wenn sie sich davon nicht fesseln lassen! (W. Jard)

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