Neoliberalismus

Gentechnik:

Kennzeichnungspflicht zum Nutzen der Industrie?

Die Brüsseler EU-Kommission hat am Mittwochabend einen Richtlinienvorschlag für die Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel vorgelegt. Demnach würde künftig die Kennzeichnungspflicht erheblich ausgeweitet. Insbesondere würde es zum ersten Mal möglich, gentechnisch veränderte Organismen und ihre Folgeprodukte durch die Produktkette zu verfolgen. Bisher mussten Produkte nur dann ausgewiesen werden, wenn die künstlichen Gene in ihnen noch nachweisbar waren. Ausgenommen waren z.B. Maisöle oder hochverarbeitetes Soja in dem mit heutigen Methoden keine künstliche DNA oder Proteine gefunden werden können. Vollkommen ohne Kennzeichnungspflicht waren bisher Futtermittel.

Nach Angaben der Kommission ist vorgesehen, dass Hersteller und Weiterverarbeiter über jeden Schritt in der Produktionskette Informationen über die Verwendung genmanipulierter Organismen aufbewahren und weitergeben. Die Informationen müssen fünf Jahre aufgehoben werden. Die Kommission verspricht sich nach ihren eigenen Worten davon, daß die Notwendigkeit für Lebensmitteluntersuchungen dadurch reduziert wird. Dennoch sollen im Zusammenhang mit den neuen Verordnungen auch die Kontrollverfahren koordiniert und die Stichprobentests technisch vereinheitlicht werden.

Ausgenommen von der Kennzeichnungspflicht blieben allerdings die Produkte von Tieren, die mit Gen-Futter gemästet wurden. "Damit stellt die Kommission sowohl die Genehmigungspflicht als auch die Kennzeichnungspflicht sämtlicher Gentechnikprodukte und damit zwei wesentliche Grundsätze des europäischen Gentechnikrechts in Frage", meint die grüne EP-Abgeordnete Hiltrud Breyer. Ansonsten sieht sie in der ausgeweiteten Kennzeichnungspflicht einen Fortschritte für den Verbraucherschutz.

Bei der internationalen Umweltorganisation Friends of the Earth (Freunde der Erde, in Deutschland vom BUND vertreten) sieht man in den neuen Regeln jedoch vor allem eine Konzession an die Biotechnologie-Industrie zum Schaden der EU-Bürger. Wie auch Breyer kritisiert man besonders, dass eine Toleranzgrenze für Verschmutzung mit nichtzugelassenen Gentechnik-Produkten eingeführt werden soll. Demnach würde es bei Annahme der Verordnungen in Parlament und Ministerrat künftig hingenommen werden, wenn bis zu einem Prozent eines Lebens- oder Futtermittel aus in Europa nicht zugelassenen gentechnische veränderten Organismen hergestellt wurde. Voraussetzung: Die Verschmutzung muss "zufällig" entstanden oder "technisch unvermeidbar" sein. In diesem Falle wird auch keine Kennzeichnung verlangt.

Hintergrund dieses Vorstoßes: Im letzten Jahr war der deutsche Biotech-Konzern Aventis in den USA in arge Bedrängnis gekommen, da sein nur für Futtermittel zugelassener StarLink-Mais auch in Lebensmitteln gefunden wurde. Einige der kontaminierten Produkte fanden ihren Weg auch in die EU. Erst im März waren in Italien 300 Tonnen importierten Saatguts beschlagnahmt worden. Eine Stichprobe hatte ergeben, dass es zum Teil gentechnisch verändert war. Beim Lieferanten Monsanto hieß es seinerzeit, es handele sich nur um eine zufällige Kontamination. Bei einem Anteil von bis zu 1% gehe man davon aus, dass es sich um konventionelles Saatgut handele. Offensichtlich hat sich die EU-Kommission jetzt dieser Sichtweise angeschlossen.

Unterdessen versuchte Umweltkommissarin Margot Wallström der Wirtschaft die neuen Verordnungen schmackhaft zu machen: "Für Handel und Produzenten werden sicherlich Kosten entstehen, aber es geht um unsere Fähigkeit, öffentliches Vertrauen aufzubauen. Europäische Unternehmen werden die Möglichkeiten der Biotechnologie nur dann nutzen können, wenn dieses Vertrauen geschaffen ist."

Der Kommissionsvorschlag muss sowohl vom zuständigen Ministerrat als auch vom EU-Parlament angenommen werden, um Rechtsgültigkeit zu erlangen. Das Parlament befindet sich allerdings noch bis Ende August im Urlaub. (wop)

LinX-Startseite Inhaltsverzeichnis