Globalisierung

Genoa Social Forum:

Wir machen weiter

Die Ereignisse der dramatischen Tage in Genua werden die politische und soziale Zukunft Italiens stark prägen. Die Bewegung gegen diese neoliberale Globalisierung hat in Genua einen sehr hohen Preis bezahlt, den Tod eines Jungen und Hunderte schwer Verletzte, das sind Wunden, die eine tiefe Leidensspur hinterlassen und uns zum Nachdenken auffordern.

Es ist noch zu früh für eine Gesamtwertung. Zur Zeit ist nur ein vorläufiges Urteil möglich:

1. Der Bewegung ist es gelungen, sich als eigenständiges politisches Subjekt auf der italienischen Bühne durchzusetzen; es ist ihr gelungen, die eigenen Inhalte in den Mittelpunkt der politischen Debatte, der parlamentarischen Tagesordnung und der öffentlichen Meinung zu rücken, indem sie Protest mit kraftvoll und autoritativ vorgetragenen eigenen Vorschlägen verband. Themen wie die Schuldenstreichung, die Tobin Tax, das Abkommen von Kyoto, der Kampf gegen das Monopol der Multinationalen Konzerne und gegen ihr zwanzigjähriges Patent auf Arzneimittel, das Engagement für den Zugang zu Trinkwasser für die Bevölkerungen des Südens, die Konversion der Rüstungsproduktion - all diese Themen sind nicht mehr im Alleinbesitz einer kleinen Schar von Aktiven der Nichtregierungsorganisationen (NGO).

Das Genoa Social Forum hat das Wunder vollbracht, eine gemeinsame politische Vertretung und eine zusammenhängende Bewegung aufzubauen, es hat Initiativen, soziale Zentren, Gewerkschaften, NGOs und politische Kräfte zusammengebracht, die häufig im Alltag keine Zusammenarbeit pflegen. Es hat eine gemeinsame Handlungsfähigkeit hervorgebracht, die sich auf eine ausreichend solide programmatische Basis stützt, aber auch auf eine Übereinstimmung in den Kampfformen: die Wahl friedlicher, nicht gewalttätiger Mittel und der zivile Ungehorsam waren ein wichtiges, und kein ideologisches Ergebnis der kollektiven Arbeit.

Die Aktionen des Genoa Social Forum haben die Dürftigkeit und Zweideutigkeit der Positionen des Olivenbaums und die absolute Sackgasse, in die sich die DS manövriert haben, noch deutlicher hervorgehoben. Im Angesicht einer Massenbewegung wie der in Genua, der großen Demonstration der 300.000, haben taktische Abwägungen keinen Platz mehr. Diese Bewegung ist heute wahrscheinlich der interessanteste Teil der sozialen Opposition gegen die Rechtsregierung.

2. Die Regierung Berlusconi hat beim ersten Ereignis von wirklicher sozialer und politischer Bedeutung ihre ganze Unfähigkeit im Umgang mit einer Oppositionsbewegung gezeigt. Aufgetaucht ist wieder die echte alte Kultur der italienischen Rechten, eine Kultur, die sich auf die militärische Repression, auf die Gleichgültigkeit gegenüber der aus der Resistenza hervorgegangenen Verfassung, auf die Verachtung der Menschenrechte stützt. Diese Regierung kann es nicht dulden, dass es eine "friedliche und ungehorsame" Massenopposition gibt, wieder einmal hat sie zur Strategie der Spannung gegriffen und hat sich auch nicht gescheut, gewalttätige Gruppen zu instrumentalisieren. Das Ziel ist nur allzu klar: Die Bewegung soll unterdrückt, gespalten und ein Teil davon in Gewaltstrategien abgedrängt werden, die gegenüber der öffentlichen Meinung weitaus brutalere Unterdrückungen rechtfertigen, als diejenigen, welche die italienischen Gesetze vorsehen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass wir einer Regierung gegenüberstehen, die die Atmosphäre geschaffen hat, in der der Mord an Carlo Giuliani möglich war.

Ich glaube wir müssen die Reife und Besonnenheit hervorheben, mit der diese Bewegung reagiert hat, sie ist nicht in die Falle gelaufen und hat jede Provokation zurückgewiesen. Diese Bewegung wird sich in Zukunft mit schwierigen Fragen auseinandersetzen müssen, wie dem Selbstschutz ihrer Initiativen und der Präsenz gewalttätiger und häufig unpolitischer Gruppen, die ein Ergebnis des gesellschaftlichen und kulturellen Zerfalls sind und deshalb von den Sicherheitskräften durchsetzt und manipuliert werden können.

Das Genoa Social Forum wird seine Geschichte mit Genua nicht beenden; in diesen Tagen hat es sich umgebildet in das Forum Sociale Italiano, das sich als integraler Bestandteil des Weltsozialforum von Porto Alegre versteht. Es wird territorial agieren und seine Einheit aufrechterhalten - das ist das kostbarste Gut, das wir mühsam erkämpft haben.

Vittorio Agnoletto

Vittorio Agnoletto ist Sprecher der Italienischen Liga zur Bekämpfung von AIDS und Sprecher des Genoa Social Forum.

aus: Il Manifesto, 24.7.2001 Übersetzung von Angela Klein.

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