Kernspalte

Globalisierung - wenn es zusammen gegen die Kleinen und Armen geht; Protektionismus - untereinander. Wirtschaftsminister Müller will jedenfalls nicht zulassen, dass der französische Stromriese EdF den deutschen Markt mit Billigstrom überschwemmt, obwohl es doch genug einheimischen Atomstrom gibt. Aber auch Italien und Spanien haben schon nationale Schutzmaßnahmen gegen EdF eingeleitet, indem sie z.B. die Stimmrechte bei den EVUs Hidrocantabrico und Montedison beschränkten, die EdF teilweise übernommen hat. Auf der anderen Seite baut Russland gerade eine Starkstromleitung von Smolensk nach Deutschland, damit das Überangebot an osteuropäischem Atomstrom besser im Westen verkauft werden kann. Bisher verstärkten besonders Tschechien, Polen und Ungarn ihren Stromexport in die EU.

Zumindest für Tschechien ist das nicht einfach. Ihr neuester Reaktor in Temelin steht ja meist still, und dann auch noch länger als geplant - die Reparatur der Turbine ist immer noch nicht abgeschlossen. Aber das war nicht die Ursache für eine Talfahrt der CEZ-Aktie (Betreiber von Temelin) um 20%, der die gesamte Prager Börse in Mitleidenschaft zog, sondern die amtliche deutsche Forderung nach Stilllegung von Temelin, die man zunächst so verstehen konnte, als hänge die Aufnahme in die EU davon ab. Um die Börse zu retten, stellte Außenminister Fischer am 18.7. klar, dass es da keinen Zusammenhang gibt - im Klartext: Die Stilllegung wird weiter verlangt, der Schrottreaktor aber in die EU aufgenommen, und damit ist das dann auch kein Stromimport mehr, den man protektionistisch behindern könnte. Diese Aussicht ermunterte Ministerpräsident Milos Zeman, die umliegenden Länder - insbesondere Österreich - mit einem "Wir schalten auf gar keinen Fall ab" zu brüskieren, wozu er ein willfähriges landeseigenes Gutachten zitieren konnte, das Temelins Auswirkungen auf die Umwelt als "niedrig, unbedeutend und akzeptabel" bezeichnet. Die FPÖ läuft weiter Sturm gegen den Reaktor, will in Österreich eine Volksabstimmung durchführen und droht mit einem Aufnahme-Veto. Für den Aktienkurs hilfreich könnte hingegen ein Übernahmeangebot der British Energy sein - die hält Temelin für sicher, jedenfalls sicher genug für ein schnelles Geschäft.

Andere AKWs haben auch Störfälle: Kabelbrand im ungarischen AKW Paks - ein Block abgeschaltet; zwei Störfälle innerhalb einer Woche im ukrainischen Juschna - Pumpenausfall und Dampfturbinen-Defekt, der Reaktor wurde um 90% zurückgefahren; im schottischen Chapelcross sind bei der Routinebestückung des Magnox-Reaktors 24 Brennstäbe auf den Boden gefallen und konnten zunächst nicht geborgen werden - der Reaktor wurde abgeschaltet.

Krebs bei Kindern ist nicht nur besonders häufig in der Umgebung von Sellafield, La Hague und Krümmel, wie längst bekannt ist, sondern auch immerhin um 20% häufiger um bayerische AKWs. Das hat eine Untersuchung des Münchner Umweltinstituts und der IPPNW herausgefunden. Das Bundesamt für Strahlenschutz bestätigte die Ergebnisse. Einen eindeutigen Beweis, dass die AKWs die Ursache seien, gebe es jedoch noch nicht.

Bei der radioaktiven Verseuchung eines Mannes aus Eschbach und einer Frau aus Landau (BW) kennt man die Ursache dagegen sehr genau: Plutoniumdiebstahl. Stuttgarter Presseorgane argwöhnten, die Lockerung der Sicherheitsbestimmungen seit 1998 in der stillgelegten WAK Karlsruhe habe etwas damit zu tun. Das BW-Umweltministerium dementierte natürlich. Auf der anderen Seite konnte es dem Bundesumweltminister aber auch keine zufriedenstellenden Vorschläge machen, wie die Sicherheit zu verbessern sei.

In La Hague stehen sechs Glaskokillenbehälter abfahrtbereit. Sie sollen bis Ende Oktober nach Gorleben verbracht werden. Zwischen Drucklegung und Versand dieser LinX soll zuvor schon einer der größten Atommülltransporte stattgefunden haben, den Deutschland bisher gesehen hat. Am Mittwoch sollen abgebrannte Brennelemente aus den AKWs Brunsbüttel, Stade, Mülheim-Kärlich und Philippsburg nach La Hague transportiert werden. Die Eisenbahnwaggons werden in Wörth bei Karlsruhe zusammengekoppelt. Und weitere sechs Behälter sollen bis Jahresende von Neckarwestheim nach Sellafield verbracht werden.

Und zu guter Letzt die gute Nachricht: Greenpeace braucht nicht für eine elftägige Blockade des Schweizer AKW Beznau im Jahr 1997 zu bezahlen. Nicht 605.000 Schweizer Franken, die die Betreiberin NOK gern gehabt hätte, und auch nicht ein paar Franken Bußgeld, sondern darf im Gegenteil 60.000 SF Entschädigung und 45.000 SF Gerichtskosten von der NOK verlangen, entschied ein Gericht. Das geht in die richtige Richtung: Beim nächsten Castor sollte NCS mal Kost und Logis der Atomtransport-GegnerInnen übernehmen - und die würden mit zunehmender Blockadedauer natürlich teurer. Wenn die Nächte wieder sehr kalt werden, könnte man ja noch Unzumutbarkeitsentschädigungen einklagen. (BG)

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