Klimaschutz

UN-Klimakonferenz:

Ovationen für dürren Kompromiss

Am Freitagnachmittag vergangener Woche ging in Bonn nach zwei Wochen die UN-Klimakonferenz zuende. Zwar hat es endlich den lang ersehnten Durchbruch gegeben, doch haben wohl die meisten Teilnehmer die Heimreise mit gemischten Gefühlen angetreten. Zweieinhalb Jahre hatte es gedauert bis man sich endlich auf die Ausführungsbestimmungen des Kyoto-Protokolls geeinigt hatte. Zumindest im Groben. Deshalb gab es denn auch stehende Ovationen, als der Hammer des Konferenzpräsidenten endlich fiel, und zwar vor allem von den Ländern des Südens, doch auch denen war klar, dass das ausgehandelte Vertragswerk manch bittere Pille für sie und den weltweiten Klimaschutz enthält.

Um 5, 2% sollen die Industriestaaten bis zu einem Zielkorridor in den Jahren zwischen 2008 und 2012 ihre Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 im Schnitt reduzieren. So steht es im 1997 in der ehemaligen japanischen Kaiserstadt Kyoto ausgehandelten Vertrag. Das ist wenig genug, doch mit den in Bonn ausgehandelten Kompromissen wird diese Verpflichtung noch weiter aufgeweicht. Nur noch 1,8% Reduktion bleiben, meint der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Andere rechnen sogar noch pessimistischer.

Dabei haben die meisten Wissenschaftler schon lange keine Zweifel mehr daran, dass wesentlich weitreichendere Maßnahmen notwendig wären. Um 60% weltweit müssten die Treibhausgasemissionen mittelfristig gesenkt werden, meint der Multilaterale Regierungsausschuss für Fragen des Klimawandels (IPCC). Und damit den Ländern des Südens eine Chance zur industriellen Entwicklung bleibt, müssen die Industriestaaten ihren Ausstoß gar um 80% reduzieren. Selbst wenn dieses ehrgeizige Ziel erreicht wird, würde damit nur die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre auf dem jetzigen Niveau, bzw. auf dem dann erreichten stabilisiert werden. Der bereits erfolgte Klimawandel wäre nicht rückgängig gemacht. Die weltweiten Temperaturen würden auch noch für viele Jahrzehnte weiter steigen, bis sich das Klimasystem an den erhöhten Treibhausgasgehalt der Luft angepasst hätte. Allerdings würde der Anstieg weitaus langsamer erfolgen, als wenn auch die Treibhausgase weiter zunehmen. Die Erde bekäme eine Verschnaufpause; den Gesellschaften bliebe mehr Zeit, sich an den Wandel anzupassen.

Doch die in Kyoto und jetzt in Bonn ausgehandelten Vereinbarungen sind weit davon entfernt, diesen Anforderungen gerecht zu werden. In Kyoto war eine Liste mit Verpflichtungen für die einzelnen Industriestaaten ausgehandelt wurden. Im Schnitt lief die auf 5,2% weniger Treibhausgase gegenüber 1990 hinaus. Einige Länder, wie Australien, Neuseeland und Island bekämen sogar leichte Steigerungen zugesprochen. Die USA müssten demnach um 7% reduzieren, haben allerdings angekündigt, dass man nicht ratifizieren werde. Die EU hat 8% übernommen, wird jedoch die Lasten intern ungleichmäßig verteilen, sodass z.B. einigen südeuropäischen Ländern weitere Steigerung ermöglicht wird.

Hätten sich die Industrieländer an ihre 1992 in Rio verabschiedeten Absicht gehalten, ihre Emissionen bis zum Jahre 2000 wieder auf das Niveau von 1990 zurückzufahren, dann wären diese Verpflichtungen kaum der Rede wert. Die meisten westlichen Staaten haben ihren Ausstoß seit dem aber nahezu ungebremst weiter gesteigert. Ausnahmen bilden im wesentlichen Deutschland, dass von der Zerstörung der ostdeutschen Industrie profitiert, und Großbritannien, wo sich der industrielle Strukturwandel auch in der Kohlendioxid-Bilanz bemerkbar macht. In den USA sind die Emissionen seit 1990 um über 10% gestiegen, ebenso in Österreich. Auch Japan hat um rund 6% zugelegt. Entsprechend schwerer wird es den Regierungen fallen, das Steuer in den nächsten zehn Jahren herumzureißen.

Ein Grund mehr, weshalb Staaten wie Kanada, Japan, Australien, Russland und einige andere so erpicht darauf waren, die bereits bestehenden Schlupflöcher des Vertrages in Bonn weiter auszuweiten. Das Kyoto-Protokoll sieht verschiedene so genannter flexibler Mechanismen vor, mit denen die Industriestaaten ihre Treibhausgasbilanz aufbessern können. Dazu gehören vor allem der Handel mit Verschmutzungsrechten, Investitionen in klimaschonende Anlagen in Drittländern und die Anrechnung so genannter Senken. Um alle drei Mechanismen gab es sowohl in Kyoto als auch in den folgenden Jahren und schließlich in Bonn viel Streit.

In Bonn kam in der Frage der Senken ein überaus fauler Kompromiss heraus. Es wurde eine Liste mit länderspezifischen Höchstwerten verabschiedet. Einigen Staaten, wie Kanada, Japan und Russland werden überaus günstige Limits zugestanden bis zu dem neue Wälder auf die Verpflichtungen angerechnet werden können. In der Praxis wird das heißen, dass die Staaten ihre Anpflanzungen, die ihre Holzindustrie vermutlich sowieso vornehmen würde, als Klimaschutz angerechnet bekommen, und somit von ihren Reduktionsverpflichtungen abziehen können.

Bei diesen Buchhaltertricks wird im Ende nur noch eine Minimale Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes herauskommen, oder gar eine Steigerung, wie Greenpeace befürchtet. Im Einzelnen wird das z.B. heißen, dass Russland seine Emissionen nicht mehr auf dem 1990er Niveau halten sondern gar um 4% steigern darf. Kanadas Reduktionsziel ändert sich von -6% auf +5,2%, Österreichs von -13% auf -8.9% und Deutschlands von -21% auf -19,5%. Doch die bloße Existenz der Schlupflöcher, machten Umweltschützer am Rande der Konferenz klar, muss noch nicht heißen, dass sie auch ausgenutzt werden. Wie weit das geschehe, hänge auch von den Umweltorganisationen in den einzelnen Ländern ab. Die EU-Staaten haben nach eigenem Bekunden diesen Kompromiss nur zähneknirschend zugestimmt, also wäre es nur folgerichtig, wenn die hiesigen Regierungen von der Mogelpackung keinen Gebrauch machen. Im Übrigen sind die so genannten Senken nicht nur deshalb umstritten, weil ihre Ausnutzung auf Untätigkeit beim notwendigen ökologischen Umbau der Wirtschaft hinausläuft. Es ist auch vollkommen unklar, inwieweit die Wälder langfristig tatsächlich als Kohlenstoffspeicher wirken und wie dieser Effekt, so er denn überhaupt existiert, seriös zu berechnen ist.

Ein weiterer Pferdefuß im Vertragswerk ist der Handel mit Emissionen, der den Industriestaaten erlaubt, Verschmutzungsrechte untereinander zu handeln. Zum einen wird das in der gegenwärtigen Konstellation vor allem darauf hinaus laufen, dass Russland, jene Rechte, die es aufgrund seiner permanenten Wirtschaftskrise nicht wahrnehmen kann, an den Westen verkauft. Der wird somit noch einmal vom Niedergang des sowjetischen Wirtschaftssystems profitieren und sich um den Klimaschutz drücken können. Zum anderen kritisieren Wissenschaftler und Diplomaten aus dem Süden, dass die im Kyoto-Protokoll implizit zugestandenen Verschmutzungsrechte auf dem Recht des Stärkeren beruhen. Die Idee, dass jeder Mensch den gleichen Anspruch auf die Nutzung der Atmosphäre haben müsste, ist dem Kyoto-Protokoll bisher fremd.

Dennoch war die Erleichterung gerade bei ihnen groß, dass der Kyoto-Prozess in Bonn gerettet wurde. Der Grund: So bleibt die Möglichkeit, in künftigen Verhandlungen - der nächste Klimavertrag wird spätestens 2012 fällig - mehr für die Länder des Südens herauszuholen. (wop)

klima-grafik

Die Temperaturkurve der Nordhalbkugel des letzten Jahrtausend, bis 1870 sind die Werte aus indirekten Daten abgeleitet. Der Bereich der datentechnischen Unsicherheit ist grau eingezeichnet. Gezeigt werden die Abweichungen vom Mittelwert der Jahre 1961 bis 1990. Deutlich zu erkennen sind zwei starke Anstiege Ende des 19. Jahrhunderts und seit Mitte der 70er.

LinX-Startseite Inhaltsverzeichnis