Anti-AKW

Anspruch und Wirklichkeit der Anti-Castor-Bewegung

Ein vorläufiges Fazit

Der Unterschied zwischen Event-Hopping und ernsthafter Politik ist, dass nicht das Ambiente, sondern die strategische Bedeutung eines Ereignisses das Engagement bestimmt. Die Bedeutung war diesmal groß genug. Mit 12 Castoren voller abgebrannter Brennelemente aus 5 deutschen AKWs hatte dieser Atommülltransport wirklich historische Ausmaße - doppelt so gross wie der letzte Gorleben-Transport. Leider wurde diesem nicht die Aufmerksamkeit zuteil, die er verdient gehabt hätte, besonders gemessen an jenem. Vor allem NGOs wie Greenpeace und X-1000-mal-quer kamen überhaupt "zum Zug". In Süddeutschland konnten die Aktivisten kaum den Status einer Versammlung erreichen, die nichts desto trotz als "ungenehmigt" kriminalisiert werden konnte. Hier kann nicht nur die Ferienzeit als Ausrede herhalten.

Die Anti-Castor-Bewegung ist internationaler geworden, auch in Frankreich bewegt sich jetzt etwas. Leider hat sie dabei bis zur Schwindsüchtigkeit an Breite eingebüßt. Alle Strategiepapiere und Überlegungen zur "Globalisierung" der Atomwirtschaft haben die Gorleben-Fixiertheit der Bewegung nicht überwinden können. Der Aufwand für die rasch aufeinanderfolgenden, zusammengefassten und daher immer größeren Transporte konnte staatlicherseits von Mal zu Mal spürbar verringert werden. Das Atommüllgeschäft wird für die Betreiber wieder berechenbar. Was die Frage aufwirft, wer die KERNspalte eigentlich noch liest.

Offenbar hat die Atomkraft an gesellschaftlicher Brisanz verloren. Was nicht damit verwechselt werden sollte, dass ihre grundlegenden Probleme gelöst wären. Das wurde auch auf einer Anhörung zur Atomgesetznovelle deutlich, oder, wie Trittin das nennt: "Gesetz-Entwurf zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität". NGOs sind in einen nicht stattfindenden Dialog eingebunden, der trotzdem ihre Kräfte bindet. BBU, BUND und Greenpeace waren gekommen, um folgendes loszuwerden: "Der Gesetzentwurf dient nicht dem vielbeschworenen Atomausstieg, sondern der Besserstellung der Atomindustrie" (BUND-Vize Sebastian Schönauer); die Gesetzesnovelle ist "misslungen und die Anhörung eine Farce" und "Die Regierung hat sich von der Atomindustrie über den Tisch ziehen lassen." (Susanne Ochse, Greenpeace); "Das Vertragswerk zwischen Betreibern und Politikern eliminiert den Bürger und seine verfassungsrechtlich verbürgten Rechte auf aktiven Eingriff in Geschehensabläufe und auf Schutz durch alle Verfassungsorgane vor Angriffen auf seine physische, psychische und soziale Existenz" (BBU).

Damit hatten sie das Notwendige gesagt, aber das Unangenehme ausgelassen, nämlich, dass Anti-AKW-Arbeit zunehmend die Sache von Funktionären geworden ist, die berechenbarer sind als Massenbewegungen. Wer ihre Erkenntnisse nicht schon vorher hatte, wird sie jetzt auch nicht gehört haben. Kein Wunder, dass Trittin und der BDI nach dieser Anhörung zur Tagesordnung zurückkehren können, als hätte niemand was gesagt. Das ist aber nicht das Problem der NGOs. Sondern der unabhängigen Anti-AKW-Bewegung, die ihrem Anspruch, den Weiterbetrieb der AKWs mithilfe einer bundesweiten, zuletzt sogar internationalen Anti-Castor-Kampagne unmöglich zu machen, trotz guter Ansätze in keiner Weise gerecht geworden ist.
(bg)

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