Kommentar

Patriarchaler Wahn

Manchmal schaffen es wichtige Themen tatsächlich auf die erste Seite von Deutschlands unangefochtenem Gehirnwäscher Nummer 1 unter den Printmedien: "UFO-Sekte will Hitler klonen". Das ist so die Art, wie in einer postmodernen bürgerlichen Demokratie dem Publikum eine Debatte nahegebracht wird, deren Ausgang nicht gerade unwichtig für die künftige Entwicklung der menschlichen Gesellschaft ist.

Dabei geht es gar nicht so sehr um das Klonen von Menschen, jedenfalls noch nicht. Geklonte Lebewesen sind offensichtlich zumeist lebensunfähig oder zumindest besonders anfällig für Krankheiten. Aber das ist natürlich nur eines von vielen Argumenten, das gegen diese Monstrosität einer von gesellschaftlichen Verantwortung freien patriarchalen Wissenschaft ins Feld zu führen ist. Ethische Bedenken kommen hinzu, aber so zu argumentieren ist geschenkt, weil es derzeit sowieso fast jeder macht.

Eine andere Frage ist da schon interessanter, weil sie sich nicht nur beim Klonen, sondern ebenso in der pränatalen Diagnostik und dem ganzen florierenden Geschäft rund um die künstliche Befruchtung stellt: Die Frage der Kontrolle. Es ist eine Illusion zu glauben, der Mediziner sei vor allem das Werkzeug des Kinderwunsches unfruchtbarer Paare. Wenn dem tatsächlich so wäre, dann müsste es wesentlich mehr Forschung über die psychologischen und umweltbedingten Ursachen der Unfruchtbarkeit geben. Gibt es aber nicht. Mit der Erforschung des menschlichen Fortpflanzungsprozesses lässt sich nicht nur mehr Geld verdienen, sondern auch Herrschaftswissen ansammeln. Man muss dahinter keinen elaborierten Plan eines elitären Kreises vermuten; es reicht, als Motiv den ganz alltäglichen patriarchalen Wahn der omnipotenten Beherrschung der Natur anzunehmen.

Der zeigt sich auch auf einem benachbarten Gebiet, das von der gegenwärtigen Debatte auf für manchen erfreuliche Weise zugeschüttet wird: Der Forschung an Stammzellen. Das sind jene Zellen, die u.a. im Hoden und den Eierstöcken als Vorlagen neuer Zellen dienen. Mit denen wollen Pharma- und Biotechnologieunternehmen in nächster Zeit Bombengeschäfte machen. Außenminister Fischer bemüht sich daher derzeit mit seinem französischen Amtskollegen, eine UN-Konvention zustande zu bringen, die das Klonen von Menschen verbietet, über die Stammzellenforschung aber kein Wort verliert. Die ist nicht minder monströs, wäre aber mit einer öffentlichen Debatte um das Klonen prima aus der Schusslinie genommen. (wop)

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