Grüße vom Kuckuck

Verehrter Herr Bartels,

wie Sie vielleicht wissen, hat ein Kuckuck keinen festen Wohnsitz und ist demzufolge und zu seinem Glück vom leidigen Wahlrecht befreit. Somit kann ich mich Ihnen ganz unbefangen nähern und Sie neugierig fragen, ob Sie sich sicher sind, dass es dem in den Kieler Nachrichten vom 4.8.2001 genannten bunten und unzweifelhaft honoren Ensemble aus "Bundestag und ein(em) Initiativkreis aus Vertretern von Kirchen, Medien, gemeinnützigen Vereinigungen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" (puh...das wäre geschafft) mit seinem Wettbewerb "Demokratie leben" tatsächlich um die, meinetwegen auch deutsche, Demokratie geht. Dumme Frage? Natürlich sind Sie in großer Sorge um den Zustand derselben. Deshalb können Interessierte nähere Informationen über den mit insgesamt 30.000 DM dotierten Wettbewerb in Ihrem Kieler Wahlkreisbüro anfordern. Ausgezeichnet werden zehn in der "Demokratieerziehung" vorbildliche Initiativen, " die sich mit der Frage auseinander setzen, was junge Menschen selbst zur Verhinderung von Fremdenfeindlichkeit und Gewalt tun (...) können."

Diese Tatsache jedoch lässt mir keine Ruhe und mich befürchten, dass Sie in der Schule als junger Wilder das Fach Staatsbürgerkunde in weiser Voraussicht, dass das Ihrer politischen Karriere nur nützen kann, einfach geschwänzt haben und auch danach ziemlich blind durch Ihre Welt getappst sind. Das verblüfft Sie? Schließlich haben Sie Lob und Anerkennung für Ihren couragierten Einsatz erwartet. Vielleicht kann ich Ihnen mit etwas Klippschulwissen auf die Sprünge helfen.

Auch wenn die deutsche Sprache die schöne Möglichkeit bietet, aus der Zusammenführung zweier Substantive einen neuen und vor allem sinnvollen Begriff zu bilden, wie zum Beispiel den der Pressefreiheit, eine Freiheit also, die ich hier gerne für mich in Anspruch nehme, kann ich trotz angestrengten Nachdenkens nicht erraten, wer bei Ihrer "Demokratieerziehung" eigentlich erzogen werden soll. Und das Sinnieren über den Namen Ihres Wettbewerbs macht mich gänzlich ratlos. Vielleicht versuchen Sie es das nächste mal mit "Stadt-Land-Fluß leben" oder anderem, leider unentsorgbaren Sprachmüll.

Doch Ihnen geht es ja nicht um Sprache, sondern um die gute Tat. Besonders, wenn man sie so wohlfeil kaufen kann. Und die hat eben nichts mit der Demokratie zu tun; denn der ist es in Ihrer Eigenschaft als Form, gleichwohl, ob es sich um die direkte oder repräsentative handelt, schnurzpiepe, welche Gesinnung das Volk und seine Repräsentanten haben. Und das ist, zumindest für die Repräsentanten dieses Landes (nein, ich denke diesmal nicht an Kohl), auch gut so. Denn denen müsste es mehr als eine schlaflose Nacht bereiten, wenn das Volk, einer wundersamen Eingebung folgend, plötzlich anfinge, sie auf demokratische Gesinnung, humanes Denken, soziales Verhalten und von Lobbyisteninteressen unabhängiges Handeln zu überprüfen.

Doch das wünsche ich niemandem und verbleibe deshalb nur,

Sie herzlich grüßend,

Ihr Kuckuck

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