Anti-Atom

Neues Seekabel:

Klima- oder AKW-Schutz?

Ein weiterer Baustein für den europäischen Stromverbund steht. Anfang August erteilte das schleswig-holsteinische Umweltministerium die naturschutzrechtliche Genehmigung für ein Unterseekabel zwischen Brunsbüttel an der Unterelbe und dem norwegischen Feda. Der Bescheid bezieht sich auf das Teilstück zwischen Brunsbüttel und der Grenze des Hoheitsgebietes, zwölf Seemeilen vor der Küste. Das so genannte Viking Cable soll eine Übertragungsleistung von 600 Megawatt haben und 578 Kilometer lang sein. Die Verlegung soll im kommenden Jahr beginnen und ab Oktober 2004 rechnet die Kabelgesellschaft Viking Cable AS, ein Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Eon und der norwegischen Statnet, mit der Inbetriebnahme. Die Verträge sehen Lieferungen von mindestens 1,2 Milliarden Kilowattstunden elektrischer Energie pro Jahr vor. Das entspricht in etwa 10% des schleswig-holsteinischen Verbrauchs. Die Verbindung wird aus einem Gleichstromkabel und einer Rückführung zur Schließung des Stromkreises bestehen. Auf die besonders umstrittene Verwendung von See- und Bodenelektroden wird verzichtet. Die Bauzeit im Watt wird auf die Wochen zwischen dem 10. Mai und dem 24. September begrenzt. Auf dem Medemsand, einem wichtigen Rastplatz für Brandgänse, wo diese ihre Mauser haben, d.h. ihr Gefieder wechseln, darf nur zwischen dem 5. und dem 29. Juni verlegt werden. Um die Kabel vor Beschädigung zu schützen werden sie in ein bis zwei Meter Tiefe unter dem Wattboden verlegt.

Dennoch ist das Projekt nicht ohne Kritiker. Der Verein Schutzstation Wattenmeer befürchtet eine erhebliche Beeinträchtigung durch den Bau. Anders als die Landesregierung geht er davon aus, dass sich die Bauarbeiten längere Zeit hinziehen könnten. Denn nicht nur das Norwegenkabel muss verlegt werden, sondern auch die Verbindungen zu den geplanten Offshore-Windanlagen. Der Verein fordert bereits seit längerem, die Zahl der Kabel und damit Störungen durch bessere Planung und Koordination zu minimieren. Nach der jüngsten Entscheidung des Umweltministeriums befürchtet er nun jahrelange Bauarbeiten im Wattenmeer. Anderen Schutzmaßnahmen würde ein Bärendienst erwiesen. "Welchen Sinn haben freiwillige Nutzungsbeschränkungen von Sportschiffern und Fischerei, wenn gleichzeitig monatelange Bauarbeiten genehmigt werden", fragte man sich am Freitag in einer Presseerklärung. Außerdem habe es nicht einmal eine ernsthafte Prüfung gegeben, ob das Watt umgangen werden könne.

Die Umweltschützer haben allerdings auch grundsätzlichere Bedenken gegen das Kabel ins Feld zu führen: Bisher gebe es keine verlässlichen Untersuchungen über die Auswirkungen unterseeischer Stromleitungen auf die Fauna. Von verschiedenen Fischen und auch Walen ist jedoch bekannt, dass sie empfindlich auf Änderungen im Magnetfeld, bzw. die von diesen induzierten Ströme im Wasser reagieren. Die meisten bisherigen Kabel seien allerdings im rechten Winkel zur Küste und in tieferem Wasser verlegt worden. Das Viking Cable hingegen werde über weite Strecken küstenparallel und im flachen Wasser verlegt und damit die Zugrichtungen vieler Fischschwärme kreuzen, die von und zu den Flüssen wandern.

Energiepolitische Argumente spielen in der bestenfalls spärlichen öffentlichen Kritik an diesem immerhin auf Jahrzehnte angelegten Projekt hingegen erstaunlicher Weise keine Rolle. Die Landesregierung hebt positiv hervor, dass das Kabel der optimierten Auslastung der Kraftwerkparks in beiden Ländern diene. Tatsächlich decken die bisher vertraglich vereinbarten Lieferungen von Norwegen nach Deutschland nur in etwa ein Viertel bis zu einem Drittel der Übertragungskapazität. Besonders in trockenen Jahren, in denen die norwegischen Stauseen leer sind, könnte es für den Atomstromer Eon daher attraktiv sein, seine Überproduktion über das neue Kabel in Skandinavien abzusetzen.

Davon abgesehen zementiert die neue Verbindung die bestehenden Monopolstrukturen mit ihren ineffizienten Großkraftwerken ein Stückchen weiter. Vom Gesichtspunkt des Energiesparens sind diese jedoch aus verschiedenen Gründen überholt. Zum einen aufgrund ihrer geringen Wirkungsgrade, wegen der zumeist ungenutzt an die Umwelt abgegebenen Abwärme und wegen der hohen Stromverluste in den langen Leitungen. Bereits vor über 20 Jahren sind daher in Westdeutschland vor allem aus der Anti-AKW-Bewegung Stimmen laut geworden, die eine Dezentralisierung der Stromproduktion forderten.

Bei den Grünen, einst selbst eifrige Verfechter dezentraler Versorgung, scheint man von derartigen Überlegungen nichts mehr wissen zu wollen. Fraktionssprecherin Irene Fröhlich feierte das Megaprojekt gegenüber der Presse als einen Erfolg für den Klimaschutz ab: "Ich freue mich, dass durch den Import von Wasserkraft der Anteil der regenerativen Energien in Deutschland gesteigert werden kann. Dies ist ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz." Zu der Frage, ob die Investitionen in Höhe von 1,1 Mrd. DM nicht wesentlich effektiver in Energiesparmaßnahmen und Kraftwärmekoppelung hätten gesteckt werden können, äußerte sie sich hingegen nicht. (wop)

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