Repression

Genua:

Solidarität mit den Inhaftierten

In Italien sitzen noch immer 16 Menschen im Gefängnis, die im Juli in Genua gegen das Treffen der sieben führenden Industriestaaten und Russlands demonstriert hatten. Am 20.8. gab es einen internationalen Aktionstag, um ihre Freilassung zu fordern. Desgleichen galten die Aktionen auch der Solidarität mit den in Schweden nach den Protesten gegen den EU-Gipfel Inhaftierten. Allen Anschein nach scheint es die meisten Aktionen in Deutschland gegeben zu haben. In mehreren Dutzend Städten gab es Demonstrationen, Happenings und Besetzungen von Büros der SPD und der Grünen. In Kiel verteilten Mitglieder von "BASTA! - Kieler Bündnis gegen Neoliberalismus" ca. 1000 Flugblätter in der Holstenstraße und informierten auf Schautafeln über Genua. Die Aktion stieß auf ungewöhnlich viel Interesse.

Der Aufruf zum Aktionstag war ausschließlich über die unabhängigen Medienzentren (indymedia) verbreitet worden und nicht, wie sonst üblich, auch über organisatorische Netzwerke. Der 20. August war gewählt worden, weil vor genau einem Monat in Genua Carlo Giuliani bei den Demonstrationen gegen das G7-Treffen von einem Polizisten mit einem Kopfschuss getötet wurde. Im folgenden ein kurzer Überblick über die internationalen Aktivitäten nach Berichten auf verschiedenen indymedia-Seiten:

In Österreich wurde in Salzburg, Bregenz, Linz und Wien demonstriert. In Graz gab es Straßentheater. Auch die Demos in Bregenz und Wien hatten Theatereinlagen. Während die Zahl der Teilnehmer 100 zumeist nicht wesentlich überstieg, waren es in Wien knapp 500, die auf die Straße gingen. Am Vormittag hatten in einer Fußgängerzone als Polizisten verkleidete Studenten Jagd auf alles gemacht, dass Schwarz trug. Verdächtige wurden wegen potentieller Mitgliedschaft im "Schwarzen Block" mit Wasserpistolen gestellt und in einem mobilen Gefängnis in Gewahrsam genommen, berichtet das Wiener Tat-Blatt.

Aus Polen wird Aktionen in Warschau und Wroclav berichtet, aus anderen Städten ist nichts bekannt. In Wroclav versammelten sich nach einem Bericht auf den österreichischen indymedia-Seiten 50 Menschen aus dem alternativen und anarchistischem Spektrum, um gegen die Polizeigewalt in Genua zu protestieren und die Freilassung der Verhafteten zu fordern. Die gleichen Forderungen wurden auch auf einer Kundgebung im litauischen Vilnius erhoben.In der Schweiz hat es Kundgebungen in mindestens drei Städten gegeben, und zwar in Basel, Bern und Luzern. Dabei dürfte die in Basel mit berichteten 1000 Teilnehmern international eine der größten Aktionen gewesen sein. Die Protestierenden drückten auch ihre Solidarität mit den hungerstreikenden politischen Gefangenen in der Türkei aus. Ein Teil der Demonstranten trennte sich vom Hauptzug und entglaste einige Geschäfte und Banken in der Innenstadt. In der Folge soll es zu 40 Festnahmen gekommen sein.

In Belgien gab es in Oostende, Brüssel, Liege, Gent, Antwerpen und Charleroi Aktionen, zumeist vor den italienischen Konsulaten. Aufgerufen hatten zumeist linke Parteien und örtliche Gruppen von attac. Auch in Paris wurde vor der italienischen Botschaft demonstriert. Dort ging die Polizei aggressiv gegen die Kundgebungsteilnehmer vor. In Brasilien nahmen in Rio und Sao Paulo mehrere hundert Menschen an Kundgebungen teil. Aus Italien ist wenig bekannt, aber zumindest in Genua und Rom hat es Aktionen gegeben.

Unterdessen berichtete die Londoner Zeitung Independent ebenfalls am 20.8. von Plänen der EU-Innenminister für eine verbesserte Zusammenarbeit bei der Überwachung der internationalen Protestbewegung. Vermutlich soll dem unlängst eingerichtete EUROPOL-Zentrum in Den Haag, dass keiner parlamentarischen Kontrolle unterworfen ist, dabei eine Schlüsselrolle zukommen. Nach Informationen der britischen Zeitung wurde bereits letzten Monat vereinbart, dass in allen Mitgliedsstaaten Kontaktstellen eingerichtet werden, die für die zentrale Erfassung, Analyse und Weitergabe von Daten über Demonstranten zuständig sein sollen. Vor jedem Gipfel sollen Arbeitsgruppen eingerichtet werden, denen Verbindungsoffiziere aus Ländern angehören, aus denen "Risikogruppen" erwartet werden. Schließlich soll eine permanente Polizeiarbeitsgruppe gebildet werden, die gezieltes Training für gewalttätige Proteste organisiert. Mit diesen Maßnahmen wird ein umfangreicher Datenaustausch verbunden sein, für den das Schengen-Informationssystem genutzt werden soll. Auch "Sirene" (Supplementary Information Request at the National Entry) wird bei dieser Gelegenheit zum Einsatz kommen. In diesem Netzwerk können Grenzschutz- und Polizeibehörden eines Mitgleidstaates Fotos, Fingerabdrücke und andere Informationen von Verdächtigen anfordern, sobald sie das Territorium des Landes betreten.

Bereits im Vorfeld des Genua-Gipfel hatten Behörden verschiedener Länder den italienischen Behörden Polizeidaten übermittelt. So berichten verschieden Festgenommene, u.a. auch aus Deutschland, dass ihnen bei der Vernehmung die Teilnahme an Demonstrationen oder eingestellte Ermittlungsverfahren vorgehalten wurden. In Österreich ist die Regierung deswegen unter erheblichen Druck geraten, während sich in Deutschland deswegen bisher wenig Protest regt.
(wop)

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