Umwelt

Windenergie:

Megawatt aus dem Watt

Die Kieler Koalition ist mächtig stolz auf die Windenergiebranche des Landes, die in den letzten Jahren erheblich expandiert ist. Jobmaschine und aktiver Klimaschutz sei sie, meint Karl-Martin Hentschel, Sprecher der Grünen Landtagsfraktion. Würden alle Anlagen wie geplant in Betrieb genommen, könne Ende 2001 20 Prozent des Stromverbrauchs im Land durch den Saft aus den Windrädern gedeckt werden. "Mit einer Leistung von zirka 1300 MW hat Schleswig-Holstein eine Gesamtkapazität von Windstrom, die ausreicht, um ein großes Atomkraftwerk wie Brokdorf zu ersetzen", so Hentschel. Daraus wird allerdings nichts. Die vier schleswig-holsteinischen Atomkraftwerke werden munter weiter betrieben und haben so eben erst von der Bundesregierung eine Bestandsgarantie bekommen. "Atomkonsens" nennt sich das im pink-olivgrünem Neusprech. Längst vergessen sind die Zeiten, als die schleswig-holsteinische SPD 1987 versprach, binnen einer Legislaturperiode die Meiler stillzulegen.

Die Windräder, die seit Beginn der 90er allenthalben aus dem Boden sprießen, strahlen zwar nicht und sind im Vergleich zur Jahrtausendhypothek der Atomwirtschaft sicherlich vollkommen harmlos, dennoch ist nicht automatisch alles grün an ihnen. Ein Teil der Naturschützer moniert Gefahren für die Vogelwelt, auf die bisher beim Bau kaum geachtet wurde. Unstrittig scheint, dass Vögel von den Rotoren erschlagen werden, unklar ist allerdings, in welchem Umfang dies geschieht. Entsprechende Untersuchungen wurden im Vorfeld des Booms versäumt.

Überhaupt ging es in der Bonanza der ersten Jahre recht planlos zu. Die Landesregierung hatte ihre landschaftsplanerischen Hausaufgaben nicht gemacht und die betroffenen Gemeinden, hauptsächlich an den Küsten, alleine gelassen. Nicht gerade erstaunlich, dass vielerorts ein mächtiges Grummeln zu hören war und mancher konservative Populist auf den Zug aufsprang, um Front gegen die regenerative Stromgewinnung zu machen.

Inzwischen geht es an Land ein bisschen planvoller beim Ausbau zu, doch werden neue Räume erschlossen: Man geht offshore. Große Windparks in den flachen Küstengewässern in Nord- und Ostsee sind geplant, zum Teil innerhalb der Hoheitsgewässer, zum Teil in der so genannten Ausschließlichen Wirtschaftszone, jenem Gebiet, das unmittelbar an die staatlichen Gewässer angrenzt. Für Letztere sind die Länder zuständig, während die weiter draußen gelegene Zone Bundesangelegenheit ist. Planungsbehörde ist das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg. 13 Firmen haben dort bisher Anträge für Windparks eingereicht, die insgesamt 1000 Windräder von bis zu 150 Metern Höhe umfassen.

Die notwendige Technik muss allerdings erst noch entwickelt werden und die Zeit dafür ist knapp: Nur wer bis 2006 seinen Windpark am Netz hat, kann auf die erhöhte Einspeisevergütung von 17,8 Pf/KWh hoffen, die das Erneuerbare-Energien-Gesetz garantiert. Die kurze Frist verursacht einen enormen Zeitdruck, der für Planung und Folgenabschätzung wenig Raum lässt. Fachleute und vor allem Umweltschützer fordern daher eine Verlängerung, damit mehr Luft für eine solide Planung bleibt.

Auch die schleswig-holsteinische Schutzstation Wattenmeer fordert Verlängerung und meldet vielfältige Bedenken an, auch wenn man prinzipiell seine Unterstützung für die Windenergie betont: Einige der angedachten Windparks würden immerhin in der Hauptflugrichtung vieler skandinavischer Wandervögel liegen und könnten ihnen gefährlich werden. Würde außerdem zu nah an Schifffahrtsrouten gebaut, drohten unübersehbare Folgen für die Umwelt des Wattenmeeres. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass manövrierunfähig auf der Nordsee treibende Schiffe keine Seltenheit seien, heißt es auf der homepage der Schutzstation. Bei falscher Standortwahl würde es schon reichen, wenn ein Supertanker nur kurz aus dem Ruder laufe, um diesen mit einem Betonsockel eines Windrades kollidieren zu lassen. Das Ergebnis wäre eine Ölkatastrophe im Wattenmeer, die diesem einzigartigen Ökosystem vermutlich auf Jahrzehnte den Garaus bereiten würde. Zeitdruck und Gewinnstreben dürften daher nicht zu einem Flickenteppich von Windparks führen. Außerdem befürchtet man, dass bei mangelnder Koordination zu viele Kabel durch die Nationalparke im Wattenmeer verlegt werden müssten, durch die der gewonnenen Strom ans Festland geleitet wird. Die Folgen wären nicht nur Störungen durch die Bauarbeiten - 30 Starkstromkabel wären beim derzeitigen Stand der Planungen nötig -, sondern auch eine Beeinträchtigung der Fauna durch die von den Kabeln erzeugten Magnetfelder und elektrischen Ströme im Wasser.

Im Bundesumweltministerium hat man offensichtlich ein offenes Ohr für die Bedenken, wenn auch die für Voruntersuchungen bereit gestellten Mittel bescheiden sind: Man gerade 1,5 Mio. DM gibt es für Sensitivitätskartierungen. Das Wirtschaftsministerium lässt dagegen 30 Mio. für die technische Entwicklung springen. Dennoch hat man sich im Umweltministerium immerhin dazu durchgerungen, die Zahl der in Frage kommenden Flächen auf zwei zu beschränken. Eine vor Borkum, fast an der niederländischen Grenze und eine seewärts von Sylt an der Grenze zu Dänemark. In diesen Zonen soll zunächst mit kleineren Parks Erfahrung gesammelt werden.

Ungeachtet dessen plant allerdings die Kieler Landesregierung an eigenen Windparks sowohl in der Nord-, als auch in der Ostsee. Gedacht ist zum einen an ein Gebiet nördlich von Helgoland, zum anderen an eines in der Lübecker Bucht. Dort ist die Planung bereits besonders weit fortgeschritten: Im Juni wurden ein Raumordnungsverfahren und Voruntersuchungen am geplanten Standort eingeleitet. 50 Anlagen á 2 MW sollen dort entstehen. Die hätten den Vorteil, heißt es im Ministerium für Ländliche Räume, dass sie schon an Land erprobt seien. Außerdem würde die Betreiberfirma innerhalb des Parks ein Feld für größere Windräder zur Verfügung stellen, die so unter wirtschaftlichen Bedingungen getestet werden könnten, bis auch deren Technik ausgereift ist. In Kiel sieht man daher in dem Ostsee-Windpark die Möglichkeit, ohne zusätzliche öffentliche Zuschüsse die notwendigen Erfahrungen für größere Projekte auch in der Nordsee sammeln zu können. Dazu gehöre auch ein Umweltmonitoring während des Betriebs und im Vorfeld eine Bestandsaufnahme der Fauna sowie speziell auch Radaruntersuchungen der durchziehenden Vogelschwärme.
(wop)

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