Globalisierung

Breites Bündnis fordert Einführung einer Devisenumsatzsteuer

"Das Karussell dreht sich immer schneller"

Verschiedene Gewerkschaften, Umwelt- und entwicklungspolitische Gruppen haben am Dienstag Bundeskanzler Schröder einen offenen Brief übergeben, in dem die Einführung einer Devisenumsatzsteuer gefordert wird. Der Brief diene dazu, so Peter Wahl von dem kleinen unabhängigen Institut WEED, den Druck aus der Gesellschaft für eine Regulierung der Finanzmärkte zu erhöhen. "Die wachsende Instabilität des globalen Finanzsystems ist nicht zuletzt auf die Zunahme des kurzfristigen grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs zurückzuführen", heißt es in dem unter anderem von Verdi, der IG Metall, ATTAC Deutschland und Misereor unterzeichneten Brief. Weitere Unterstützer sind der Bund für Umweltund Naturschutz Deutschland, Brot für die Welt, terre des hommes und die ökumenische Organisation Kairos Europa. Verdi-Vorsitzender Franz Bsirske sprach angesichts der Vorstellung der gemeinsamen Kampagne von einer interessanten, nicht alltäglichen Kooperation, die Ausdruck der steigenden gesellschaftlichen Sorge angesichts der Ungleichheiten in der Weltwirtschaft sei. Fragen, inwieweit er auch seine Mitglieder für die Forderung mobilisieren wolle, wich er allerdings genauso aus, wie sein Kollege Jürgen Peters, der zweiter Vorsitzender der IG Metall ist.

"Das Karussell der Weltwirtschaft dreht sich immer schneller", so Bsirske, "mit der Gefahr, dass immer mehr raus geschleudert werden."Oder schon sind: Reinhard Hermle von Misereor wies auf die katastrophale Lage hin, die die Krise in Südostasien in vielen Ländern der Region hinterlassen hat. "Jahrelange Aufbauarbeit wurde binnen weniger Tage zunichte gemacht." Peters und Bsirske machten darauf aufmerksam, dass sich mit Argentinien und der Türkei derzeit zwei andere Volkswirtschaften am Rande des Abgrundes befinden, die leicht einen Dominoeffekt für die gesamte Weltwirtschaft auslösen könnten. "Es ist erstaunlich", meinte der Verdi-Chef, "dass in dieser Situation noch immer der Glaube an die Unfehlbarkeit des Marktes vorherrscht."

Der geforderten Devisenumsatzsteuer, auch unter dem Namen Tobin-Steuer bekannt, komme eine zentrale Rolle bei der Regulierung der Finanzmärkte zu, betonten die Initiatoren des Briefes. Bsirske betonte allerdings, dass damit die Krisenhaftigkeit der Weltwirtschaft nicht aufgehoben werde. Es würden nur die Handlungsspielräume der Regierungen und Parlamente erhöht. "Sie dämmt kurzfristige Transaktionen ein, ohne die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte zubeeinträchtigen", heißt es in dem Brief an Schröder.

"Allerdings", so IG Metall-Vertreter Peters, "hätte auch die Tobin-Steuer die Asienkrise nicht verhindern können." Bei den kurzfristigen Gewinnspannen von 60 Prozent und mehr, die seinerzeit durch die Spekulation auf verschiedene asiatische Währungen erzielt werden konnten, hätte auch eine Besteuerung nichts mehr helfen können. Hier müßten Kapitalverkehrskontrollen her. Außerdem forderte er, den Handel mit sogenannten Derivaten einzuschränken. Dabei handelt es sich unter anderem um Optionenscheine auf zukünftige Waren- und Devisengeschäfte,die hochspekulativ sind. (wop)

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