Antimilitarismus

Aufruf zur linksradikalen VV, 16.09.2001

NEIN!

Ihr habt sie gewählt, Ihr habt es zugelassen, dass sie Euch regieren. Wir haben zugelassen, dass sie uns regieren, aber wir haben sie nicht gewählt. Den Preis haben jetzt jedoch alle zu bezahlen.


Die kapitalistische Welt ist aus den Fugen. Mit den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon ist sie von einem Moment auf den anderen in den globalen Ausnahmezustand gestürzt worden. Während die HERRschenden durchweg von einem Anschlag auf die "Zivilisierte Welt" und "unsere Demokratie" sprechen, zeigen sich in den Vorbereitung des Gegenschlages überdeutlich die rassistischen und patriarchalen Grundpfeiler dieser sogenannten "Zivilisation". Was übrig bleibt, ist die zerstörte Illusion des Wohlstandes und "Reichtums auf Ewigkeit". Der Rassismus, mit dem die westliche Welt ihren Wohlstand auf Kosten der sogenannten dritten Welt organisiert, ist am 11. September auf sich selbst zurückgeschlagen. Er hat in Form eines anti-amerikanischen Massenmordes die Phallussymbole kapitalistischer Macht zum Einsturz gebracht. Die Menschenverachtung der kapitalistischen Weltordnung schlug auf sich selbst zurück, die sogenannte "Zivilisation" ist nicht angegriffen worden, wie uns die HERRschenden zur weiteren Rechtfertigung ihres patriarchalen Ordnungsanspruchs weismachen wollen, sondern die sogenannte "Zivilisation" ist kollabiert. Die bunte Fassade ist abgewaschen, und darunter erscheinen die wahren Ordnungsmechanismen unserer Gesellschaft: Terror und Gewalt. Während viele Menschen geschockt, verunsichert und betroffen sind, kündigen die HERRschenden an, dass der Gegenschlag "gewaltig" sein wird. Durchgeknallte Patrioten richten drohend ihre Gewehre auf die Gegenden der Welt, die sich bis heute dem allumfassenden Zugriff der sogenannten westlichen Welt verweigert haben und die sie schon längst als sogenannte "Schurkenstaaten" deklariert haben. Die Losung ist eindeutig: Wenn US-Präsident Bush erklärt, man werde diejenigen, die Terroristen Unterschlupf gewähren, genauso behandeln wie eben jene Terroristen selbst, kann das nicht anders verstanden werden, als: wer sich nicht unterordnet, ist gegen uns und bald tot! Mit fundamental-christlicher Rethorik wird zum Angriff auf die Netzwerke einer imaginären islamischen Weltverschwörung geblasen. Betroffenheit und Trauer wird medial verwandelt in eine neue Form eines übernationalen Nationalismus: "Heute sind wir alle Amerikaner!" ist die nächste Losung, mit der die Menschen eingeschworen werden auf die anstehende Spirale militärischer Auseinandersetzungen zur Absicherung der weltweiten Ausbeutungsverhältnisse. Kein Mensch hier käme auf die Idee, im Falle der Bombardierung der Bevölkerung Afghanistans zu sagen: "Heute sind wir alle Afghanen!".

Kein Mensch hier war Jugoslawe, als Jugoslawien bombardiert wurde, kein Mensch ist Palästinennser, wenn Israel im Gaza-Streifen vorrückt, oder Israeli, wenn eine Disco oder ein Bus in Israel in die Luft fliegt. Es ist auch kein Mensch von hier Afrikaner, sondern höchstens froh, keiner zu sein, wenn dort die Menschen verhungern, damit wir billige Nahrungsmittel in uns reinschlagen können.


Der Wahnsinn der kapitalistischen Weltordnung, der die Menschheit mittels rassistischer und patriarchaler Kriterien nach Verwertbarkeit einteilt, hat eine neue Stufe erreicht. Mit ideologisch aufgeladenen Floskeln wie "freie Welt", "Demokratie", "westliches Wertesystem" wird die Bevölkerung der Welt formiert, sich bedingungs- und widerspruchlos ins kapitalistische Weltgefüge einordnen zu lassen. Wer nicht mitmacht, wird zum Feind erklärt. Die innere Militarisierung unserer Gesellschaft kennt in Hinblick auf die derzeitige und die anstehenden Krisen kaum noch Grenzen. Der Ruf nach mehr Sicherheit und dem starken Staat war selten so laut wie heute. Die Erkenntnis, dass die bisherigen Überwachungsmechanismen Anschläge wie den vom 11. September nicht verhindern können, wird zu einem weiteren Ausbau der Kontrolltechniken führen, die die notwendigen Grundlagen zur Entwicklung einer individuellen Persönlichkeit (Privatssphäre, Gedankenfreiheit, Möglichkeiten der unabhängigen Meinungsbildung und -äußerung) weiter beschränken werden. Mithilfe modernster Techniken werden die Guck- und Lauschnetze immer dichter. Die soziale Bedrohung, die von diesen Techniken ausgeht, können diejenigen nicht erkennen, die dem Staat das Recht zubilligen jede Bewegung zu überwachen und zu kontrollieren - Untertanen. Deutsche Politiker, angeführt unter anderem von Bundesinnenminister Schily, überlegen an der Bildung paramilitärischer Polizeiverbände aus Polizei- und Bundeswehrkräften, einer Art Nationalgarde zur Aufstandsbekämpfung, wie wir sie aus den Diktaturen Lateinamerikas kennen. Doch nicht nur der technische Apparat wird hier mobilisiert, sondern auch die sogenannte "Zivilgesellschaft", in der jedeR jedeN beobachtet, begutachtet, einordnet und "abweichendes Verhalten" meldet oder am besten gleich handelt. Vermeintlich "arabisch" aussehende Menschen haben dieser Tage nichts zu lachen: Besonders Frauen, die aufgrund des Gebots, sich zu verschleiern, öffentlich als Muslima wahrgenommen werden, werden auf der Straße angepöbelt und bespuckt. Der latente Rassismus, der immer Teil dieser Gesellschaft war, bricht immer offener auf. Wer hier noch von "Freiheit" oder "Zivilisation" sprechen kann, hat einen Knoten im Gehirn. In Erwartung des Gegenschlages der USA/NATO höchstwahrscheinlich gegen Afghanistan steht die ganze Welt mehr oder weniger hilflos am Beginn einer Spirale der Gewalt, deren Umfang sich nicht eingrenzen lässt. Die NATO hat zum erstenmal in ihrer Geschichte den Bündnisfall erklärt, wodurch sich alle ihr angeschlossenen Gesellschaften im (Vor)Kriegszustand befinden. Die in Deutschland laut Verfassung notwendige Zustimmung des Parlaments zu Beteiligung deutscher Truppen an Kriegseinsätzen ausserhalb des Bundesgebiets ist damit zur Makulaturmaßnahme geworden: Aufgrund der Bündnislage könnte die Regierung auch allein den "Verteidigungsfall" feststellen, deutsche Truppen in den Krieg schicken und für die öffentliche Ordnung mithilfe der Ende der 60er Jahre gegen den massiven Widerstand der Bevölkerung durchgesetzten Notstandsgesetzgebung den Ausnahmezustand erklären, inklusive des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren. Eine verfassungsmäßig mögliche Rücknahme so entschiedener Maßnahmen ist durch 2/3 des Bundestages und Bundesrates ist aufgrund der allgemeinen Vergeltungsgeilheit in fast allen Fraktionen nicht zu erwarten. Die Drohung eines dritten Weltkrieges hängt nicht mehr abstrakt über dem Schicksal der Menschheit, sondern ist zu einer realistischen Option für den Fortgang der Geschichte geworden.


Die HERRschenden entscheiden die Absicherung ihrer Macht und ihres Systems weiter auf dem Rücken des größten Teils der Weltbevölkerung. Der 11. September hat gezeigt, dass sich die rassistische Ordnung der Welt, die einst beispielsweise die USA veranlasste, das Regime der Taliban in Afghanistan gegen die Ausweitung der Sowjetunion aufzubauen und jetzt sich gegen sich selbst gerichtet sieht, ohne offene militärische Auseinandersetzung nicht mehr durchsetzen läßt.

Die Menschen in aller Welt müssen sich Gedanken darüber machen, wie sie den Mächtigen die Gewehre entreissen und eine eine echte neue Welt der Freiheit und Solidarität schaffen, in der wir selbstbestimmt und ohne Rassismus und Unterdrückung leben können - frei von HERRschaft und Macht. Die Altenative ist die Barbarei.


Ohne Gerechtigkeit wird es keinen Frieden geben!
Mit diesem System wird es keinen Frieden geben!


Sonntag 23.09., 15.00 Uhr - linksradikale Vollversammlung Hansastr.48/Kiel


Tag X: 18.00 Uhr Kundgebung/Demo Asmus-Bremer-Platz Kiel

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