Biotechnologie

Kieler Biochemiker will Stammzellen importieren

Kein Import ohne Ethikkommission

Bereits im Juni wurde bekannt, dass der Leiter des Biochemischen Instituts an der Kieler Christian-Albrechts-Universität, Prof. Stefan Rose-John, über israelische Kollegen Kontakt aufgenommen hatte zu der australischen Firma ES Cell mit dem Ziel, menschliche embryonale Stammzellen zu importieren. An solchen Zellen will Rose-John die Wirkung eines von ihm entwickelten Designer-Zytokins auf die Ausdifferenzierung des Zellhaufens untersuchen. Bis heute ist noch nichts aus den Plänen geworden, obwohl der Import der Zellen legal wäre. Das liegt auch daran, dass Rose-John an die Empfehlungen der Ethik-Kommission der Universität und der Bundesärztekammer gebunden ist. Die liegen bis jetzt nicht vor. Ausserdem befindet sich eine Novelle des Embryonenschutzgesetzes im Bundestag in der Schwebe. In anderen Fällen wurde der Import von Affen-Stammzellen genehmigt, weil dafür das Bundesamt für Naturschutz zuständig ist. Dieses richtet sich bei seiner Entscheidung nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen: So wurden Stammzellen von geschützten Krallenäffchen in Frankfurt vom Zoll beschlagnahmt, der Import von Rhesusaffenzellen hingegen genehmigt. Eine ethische Debatte, wie bei menschlichen Stammzellen, fand nicht statt.

zellen unter dem mikroskop

Stammzellen sind nicht ausdifferenzierte Zellen von Embryos, aus der Nabelschnur oder - wie neuerdings bekannt wird - auch aus bestimmten Organen erwachsener Menschen, die sich noch in fast alle Gewebeformen des Körpers entwickeln können. Die Möglichkeiten erwachsener Stammzellen sind dabei allerdings wesentlich beschränkter als die der Embryos. Embryonale Stammzellen, die zu Forschungszwecken benutzt werden, stammen aus Embryos, die von künstlichen Befruchtungen "übrig" geblieben sind. Während es allein in den USA ca. 100.000 solche eingefrorenen Embryos gibt, hat man weltweit nur in 8 Fällen Stammzellen entnommen, die bei 3 Firmen kultiviert, also vermehrt worden sind, eine davon ist ES Cell. Darüberhinaus ist es möglich, Stammzellen durch Umwandlung von Keimzellen abgetriebener Föten oder durch "therapeutisches Klonen" beliebiger Körperzellen mit entkernten Eizellen zu gewinnen. Die Entnahme von Zellen aus deutschen Embryos ist ebenso wie das Klonen in Deutschland verboten, der Import ausländischer Zellen aber nicht.

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Zytokine sind Botenstoffe des Immunsystems der Zellen. Natürliche Zytokine sind in der Lage, verschiedenste Funktionen (z.B. Wundheilung) der Zellen zu steuern, auch die Ausdifferenzierung der Zellen, die sie aber nicht aufhalten können. Dazu soll nun Rose-Johns künstliches Molekül in der Lage sein. Das würde - so seine Vorstellung - den Verbrauch von Embryonen für die Gewinnung von Ersatzgewebe für Schwerkranke möglicherweise überflüssig machen, wenn der Beweis denn gelingt. Für viele Parkinson-, Alzheimer- , Diabeteskranke sind embryonale Stammzellen jedoch weit mehr als ein wissenschaftsfreundlicher Zellhaufen, nämlich das Potential eines universellen Reparatur- und Ersatzteillagers ihres Körpers. In Österreich ist der Stammzellen-Hype inzwischen soweit gediehen, dass Eltern, die es sich leisten können, bei der Geburt ihrer Kinder (aus der Nabelschnur) entnommene Stammzellen in flüssigem Stickstoff einfrieren lassen. Das kostet ungefähr 3000 DM und bringt zunächst mal gar nichts - und wenn das Kind gesund ist und ihm kein schwerer Unfall passiert, kann man sie später einfach wegschmeissen. Falls sich die Forschung jedoch weiterentwickelt - was natürlich alle von Christopher Reeve bis Michael J. Fox hoffen -, könnte man eines Tages defekte Organe mit eigenen Stammzellen regenerieren oder zumindest therapieren.

Dies allein wäre keine Gentechnik. Im Grunde wäre es eine medizinische Therapie wie z.B. Hautverpflanzung oder Chemotherapie. Um aber dorthin zu kommen, müssen wissenschaftliche Experimente durchgeführt werden, und die sind ohne vermehrbare und in ihren Eigenschaften trotzdem gleichbleibende Zelllinien nicht denkbar. Dabei sollen biotechnologische Methoden angewendet werden.

Kritik kommt vor allem aus christlichen, um nicht zu sagen "christlich-sozialen", Kreisen, die vor allem kritisieren, dass "ungeborenes Leben" zu Experimenten benutzt werde, eine Argumentation, die vom Abtreibungsrecht her bekannt ist und - gar nicht mal so überraschend - von den Grünen, namentlich Angelika Birk, übernommen wurde. Dagegen, dass mit menschlichen Zellen Profit erzielt würde, haben sie hingegen nichts einzuwenden. Z.B. führt Rose-John aus, dass bei einer Knochenmarkstransplantation gewisse Zytokine benötigt werden, die patentiert wurden von der Firma, die sie zuerst entdeckt hat. Die Krankenkasse kauft nun "von der Firma das Recht, diese Zytokine zu verwenden. ...Wenn man in den Besitzstand von geistigem Eigentum kommt, läßt man es auch schützen. ...Wenn man 100 Mio. Mark bezahlt und hinterher jeder das Gleiche machen kann, dann rechnet sich das nicht. So läuft das heute, das kann man subsummieren unter dem Begriff der freien Marktwirtschaft."

Wenn sich die Stammzellen aber erst mal züchten lassen, wird es sicherlich nicht dabei bleiben, sie nur einfach zu vermehren. Wer noch keine hat, will welche geklont haben, die genauso gut sind wie embryonale. Oder noch besser, ohne genetische Fehler. Welche Möglichkeiten das im Radsport eröffnen würde, Lungen, so groß wie bei Vögeln und genauso leicht, davon kann Jan Ullrich zur Zeit nur träumen. Die Verbindung zur Gentechnik ist fließend, die Akzeptanz ist mit Präimplantationsdiagnostik und In-Vitro-Fertilisation vorbereitet. Danach entwickeln sich die Dinge, wie alles im Kapitalismus, wie von selbst: "Dass das gleichzeitig vermarktet wird, akzeptiere ich, das ist so, wie wenn es regnet. Man ist vielleicht dagegen, aber man kann nichts dagegen machen. Das ist die Welt, wie es sie gibt." (Prof. Dr. Rose-John)

Der Biochemiker Rose-John forscht an einer öffentlichen Universität. Dort wird sein Vorhaben immerhin öffentlich bekannt, weil viele Gremien an dieser Entscheidung mitwirken. Ob aber private Biotechnologie-Labors (wie z.B. in Bovenau) nicht schon längst mit importierten Stammzellen experimentieren, kann gar nicht festgestellt werden. Es ist nicht nur legal, es existiert auch überhaupt keine Meldepflicht dafür. (BG)

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