Kommentar

Tag 3

Schily, Schröder, Fischer: Seit 3 Tagen malträtieren Sie uns mit "der zivilisierten Welt", der dieser Anschlag gegolten habe. Bislang hatte ich eigentlich nicht so recht verstanden, wer denn damit genau gemeint sei. Friedbert Pflüger (CDU-MdB im EU-Ausschuss) hat es mir gestern im Fernsehen erklärt: Die Zivilisierte Welt ist das Abendland! Klasse, das Lexikon erledigt den Rest: "Ursprünglich die westliche Welt, von Italien aus gesehen; später allgemein der europäische Kulturkreis(...).Der Geschichtsphilosophie Herders, Hegels und der Romantik galt das Abendland als die höchste Stufe der Menschheitsentwicklung".

Und dann kommt der große Auftritt des Guido Westerwelle. Nachdem die NATO den Verteidigungsfall festgestellt hat, drängelt er sich vor die Kameras: "Es gibt in dieser Situation keine Regierungsparteien und keine Oppositionsparteien, in dieser Situation gibt es nur deutsche Verantwortung". Wer denkt da nicht an Wilhelm II, der die Sozialdemokraten als Vaterlandsverräter verdächtigte und den Sozis bei Kriegsausbruch ihrer nationalen Kehrtwende mit den Worten dankte: "Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche". Irgendwie hat Marx doch recht: Geschichte wiederholt sich nicht – es sei denn als Farce!

Da kann auch Edmund Stoiber nicht mehr an sich halten: dpa meldet, der Bayerische Ministerpräsident schlägt vor, die Bundeswehr zur "Erhöhung der inneren Sicherheit" in Deutschland einzusetzen.

Brennende Symbole von der Manhattan Bridge aus

Nun lässt auch das Fußvolk ihrer nationalen Besoffenheit freien Lauf: Die FR meldet heute: "Wegen seiner öffentlich geäußerten Freude über die Attentate in den USA (...) hat die Göttinger Polizei ein Strafverfahren gegen einen Mann aus dem früheren Jugoslawien eingeleitet. Dem 27-Jährigen wird die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener vorgeworfen".

Lange muss man nach halbwegs erträglichen Äußerungen suchen und findet sie da, wo sonst nicht unbedingt fortschrittliche Politik gemacht wird. Ein Militärexperte der chinesischen Regierung, Wang Xiangshui, äußert sich gegenüber Reuters: "Die Terroristen haben das nicht gemacht, weil die USA ein freies Land sind, sondern weil Amerikas Politik gewisse Gruppen und Menschen in die Verzweiflung getrieben hat, in die totale Verzweiflung".

Von der Galionsfigur der amerikanischen Linken, Noam Chomsky, hat man hingegen nichts anderes erwartet: "Die heutigen Angriffe waren ungeheure Gräueltaten. Doch die Zahl der Opfer erreicht nicht die Höhe vieler anderer Gräueltaten, bspw. Clintons Bombardement des Sudan, bei der ohne glaubwürdigen Vorwand die Hälfte der Pharmaindustrie zerstört und wahrscheinlich Zehntausende Menschen getötet wurden. (...) Kurz gesagt ist das Verbrechen ein Geschenk an die extreme nationalistische Rechte, an diejenigen, die zur Kontrolle ihrer Einflusssphären militärische Mittel einsetzen wollen." (mk)

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