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Der von Schily vorgelegte Gesetzentwurf für ein Zuwanderungsgesetz ist unzumutbar. In dieser Feststellung sind die in der Flüchtlingssolidarität tätigen Verbände und Bayerns Ministerpräsident Beckstein ausnahmsweise einer Meinung. Die Frage ist allerdings unzumutbar für wen. Beckstein hält angesichts des Anschlags in New York die Verabschiedung eines solchen Gesetzes, das mehr Menschen die Zuwanderung nach Deutschland ermögliche, in Hinblick auf die Sorge der deutschen BürgerInnen für nicht vertretbar. Damit stigmatisiert er nicht nur sämtliche MigrantInnen als potentielle TerroristInnen, sondern schönt auch den Tenor des Gesetzes. Dieses ist nämlich keineswegs so zuwanderungsfreundlich wie sein Titel impliziert. Insbesondere enthält es zahlreiche Vorschriften, die die Situation von Flüchtlingen und AsylbewerberInnen verschlechtern. Dazu gehören die Ausdehnung der reduzierten Sozialleistungen für AsylbewerberInnen von bisher drei Jahren auf die gesamte Zeit des Asylverfahrens, die Senkung des Nachzugsalters für Kinder auf 12 (!) Jahre, die weder mit der europäischen Kinderrechtskonvention noch mit dem deutschen Kinder- und Jugendschutzgesetz vereinbar ist, sowie die Abschaffung der Duldung, die eine große Zahl von Flüchtlingen in die Illegalität treibt, die aufgrund tatsächlicher Abschiebehindernisse ( z.B. fehlende Reisedokumente, Krankheit, keine Flüge in das Herkunftsland aufgrund von Kriegssituation etc.) nicht abgeschoben werden können. Sie können darüber hinaus in neu zu schaffende Ausreisezentren eingewiesen werden, so etwas wie eine Vorstufe der Abschiebehaft, wo - wie die Erfahrung mit existierenden Zentren dieser Art in Niedersachsen und Nordrheinwestfalen zeigt - durch sanften Druck eine Ausreise erzwungen und der Zugriff auf die Betreffenden gesichert werden soll.

Gar nicht berücksichtigt wurden Forderungen von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden nach einer Härtefallregelung, die schwierige Einzelfälle lösen sollte. Statt dessen soll das Kirchenasyl legalisiert und vor allem privatisiert werden: Kirchen oder Verbände können sich laut Gesetzentwurf dieser Fälle annehmen, müssen aber die gesamte Finanzierung der Betroffenen übernehmen, womit sich der Staat seiner Verantwortung entzogen hat. Auch die Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung, die seit Jahren eingefordert wird, findet keine Berücksichtigung. Darüber hinaus wird politische Betätigung von Flüchtlingen in Deutschland sanktioniert, indem sie als Hinderungsgrund für die Anerkennung nach dem "kleinen Asyl" auf der Basis der Genfer Flüchtlingskonvention gelten soll. Die außerdem vorgesehene Regelüberprüfung der Asylanerkennung nimmt selbst den als Flüchtlingen Anerkannten nach jahrelangem Bangen im Asylverfahren auch für die weitere Zukunft jede Rechtssicherheit.

Aus all diesen Gründen halten Pro Asyl, Flüchtlingsräte, Teile der Kirche und Flüchtlingsorganisationen den Entwurf für unzumutbar. Seine Verabschiedung ist aufgrund der Ereignisse in New York verschoben worden, soll aber noch vor der Bundestagswahl erfolgen.

Derweil haben die USA 600 Millionen Dollar für die Versorgung der afghanischen Flüchtlinge an der pakistanischen Grenze zur Verfügung gestellt und auch Deutschland ist laut UNHCR mit 58 Millionen dabei. Es stellt sich die Frage, ob und wie der Teil der durch die Androhung von Vergeltungsschlägen produzierten Flüchtlingsbewegung aufgenommen wird, der sich nicht mit dem Leben im Elend in der Grenzregion abfindet und sich nach Westeuropa durchschlägt. An eine Aufnahme von Kontingenten, wie es zur Zeit der Kriege in Bosnien und Kosovo der Fall war, denkt offenbar niemand. Das wäre auch schwer zu vereinbaren mit der Stimmungsmache, die derzeit wieder gegen AsylbewerberInnen stattfindet.

Auch Otto Schily nutzt den New Yorker Anschlag, um seiner flüchtlingsfeindlichen Politik das Wort zu reden. Ungeachtet der Tatsache, dass die bisher Verdächtigen keine AsylbewerberInnen waren, sondern eher zu den noch vor kurzem so willkommenen nützlichen ausländischen ExpertInnen zählten, hält auch er AsylbewerberInnen für potentielle AttentäterInnen und eine Gefahr für die deutsche Sicherheit und will sie daher gleich in andere Länder abschieben. So liefert er in der Zeit vom 20.9. seine Version der Regionalisierung von Fluchtbewegungen: "Wenn es sich um Personen handelt, denen wir aus unseren Sicherheitsinteressen heraus keinen Flüchtlingsstatus zubilligen, die wir aber zugleich wegen drohender Gefahr für Leib und Leben nicht in ihr Herkunftsland abschieben können, müssen wir uns überlegen, ob wir nicht andere Weltgegenden finden, wo sie keine Gefahr für die Sicherheit darstellen, wie das hier in dem sehr sicherheitsempfindlichen Deutschland der Fall ist." (aw)

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