anständig grün

Rasterfahndung:

Sicherheitsrisiko Mann?

Manchmal sagen Grüne Politiker auch heutzutage noch leidlich richtige Dinge, aber eigentlich nur eher aus Versehen, und um eine vollkommen haarsträubende Politik zu rechtfertigen. So zum Beispiel der rechtspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, Volker Beck, mit dem wir Mitte letzter Woche über Rasterfahndung und neue "Anti-Terror-Gesetze" sprachen. (wop)

LinX: Rasterfahndung, neuer Paragraph 129 b: Das hätten CDU und FDP auch nicht besser gekonnt. Wo bleibt die grüne Liberalität?

Volker Beck: Die Rasterfahndung ist bereits heute Gesetz. Gegenwärtig wird nur die Rechtslage angewandt. Beim 129 b sind wir aus europarechtlichen Gründen verpflichtet, terroristische Vereinigungen im Ausland strafrechtlich zu verfolgen. Es gibt einen entsprechenden EU-Ministerratsbeschluss.

LinX: Die Ministerräte setzen sich aus den Regierungen zusammen, insofern waren die Grünen beteiligt, oder?

V.B.: Den Beschluss gibt es schon aus Zeiten der alten Regierung. Den müssen wir umsetzen. Zum anderen kann nicht hingenommen werden, terroristische Vereinigungen, die in Deutschland aktiv sind, nicht zu verfolgen, weil sie im Ausland ihren Sitz haben. Im Gesetzgebungsverfahren wird allerdings noch mal diskutiert werden, ob die gegenwärtige Formulierung nicht die Gefahr birgt, dass z. B. ein Friedensnobelpreisträger wie Nelson Mandela strafrechtlich verfolgt würde, weil er einer terroristischen Vereinigung im Sinne des Gesetzes, dem ANC, vorgesessen hat, oder dass wir z. B. eine Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung zur Lage in Mazedonien mit einem Vertreter der UCK unter das Werbeverbot für ausländische terroristische Vereinigungen fallen würde. Das ginge ein bisschen zu weit.

LinX: Definiert nicht immer die jeweilige Regierung, was gerade terroristisch ist?

V.B.: Nein, wir leben in einem Rechtsstaat, da definiert das nicht die Regierung, sondern die Gerichte.

LinX: Sie meinen also, angesichts der letzten 25 Jahre deutscher Rechtsgeschichte besteht keine Gefahr, dass Organisationen wie der ANC, die PLO oder ähnliche verfolgt würden?

V.B.: Bei der PLO würde Verfolgung schon an der Staatenimmunität scheitern. Aber wir wollen auch nicht, dass Befreiungsbewegungen aus anderen Ländern, die sich gegen ein Unrechtsregime wenden, unter diese Strafbewährung fallen, und wir wollen deshalb noch im Verfahren dafür sorgen, dass es hier zu einer entsprechenden Klärung kommt.

LinX: Wie wollen Sie das erreichen?

V.B.: Indem wir darüber verhandeln und dies in den Ausschüssen zurechtrücken. Ich bin sicher, dass auch die SPD das will.

LinX: Die Innenminister nehmen mit der Rasterfahndung arabische Männer ins Visier. Sind jetzt auch für die mitregierenden Grünen Immigranten ein Sicherheitsrisiko?

V.B.: Nein, das wäre völlig falsch, Migranten als Sicherheitsrisiko anzusehen. Ein Rasterkriterium macht auch noch nicht aus jedem, der diesem entspricht, ein Sicherheitsrisiko. Ansonsten könnten Sie auch sagen, indem wir das Kriterium Mann mit eingeben, tragen die Grünen jetzt mit, dass alle Männer ein Sicherheitsrisiko sind.

LinX: Es geht um arabische Männer.

V.B.: Genauso wie die Männer durch das Adjektiv arabisch eingegrenzt werden, wird der Araber durch das Kriterium männlich eingegrenzt.

LinX: Machen Sie sich keine Gedanken über die Folgen für das gesellschaftliche Klima?

V.B.: Ich glaube nicht, dass die Rasterfahndung zu einer Klimaveränderung führt. Wir werden darauf achten, dass die Daten, die man nicht mehr benötigt, vernichtet werden.Aber wir brauchen jetzt klare Signale für eine Integrationspolitik, damit Schill und Konsorten die aktuelle Lage nicht zu einer Klimaveränderung nutzen.

LinX: Sie meinen, dass die Rasterfahndung nichts an der Stimmung in der Bevölkerung geändert hat?

V.B.: Die Bevölkerung sitzt nicht im Computer. Man sollte wegen eines rein im Computer stattfindenden Datenabgleichs nicht hysterisch werden.

LinX: Die Hysterie wird von Ihrer Regierung erzeugt.

V.B.: Es geht nicht um Hysterie. Fakt ist, dass Tausende von Menschen umgebracht wurden. Kaltblütig. Daran kann man nicht einfach vorbeigehen. Einige der mutmaßlichen Täter waren davor jahrelang in Deutschland. Zur Prävention einer zweiten Terrorwelle sucht man jetzt nach potentiellen Verbindungsleuten. Das ist ein völlig vernünftiges und rationales Vorgehen.

LinX: Haben Sie ein halbwegs tragfähiges Indiz dafür mit eigenen Augen gesehen?

V.B.: Ich bin Parlamentarier, ich bin nicht Mitglied der Exekutive. Es ist nicht meine Aufgabe, Beweise im strafrechtlichen Sinne zu erheben.

LinX-Startseite Inhaltsverzeichnis