Antimilitarismus

Kommentar

Vom Nutzen des Terrors

"Die Anschläge von New York und Washington", schrieb der scharfzüngige Veteran der US-Linken, Noam Chomsky, schon vor mehr als drei Wochen," sind vor allem ein Geschenk an die Rechten." Seitdem vergeht kein Tag, an dem ihm nicht westliche Politiker mit ihren Taten und Reden Recht geben. "Sicherheit vor Zuwanderung" betitelte zum Beispiel unlängst eine große, als seriös geltende und vom PDS-Küchenkabinett umworbene Berliner Tageszeitung einen Bericht über Schilys Gesetzespläne. Immigranten als Sicherheitsrisiko in Kollektivhaft. Ein Jahr nach dem "Aufstand der Anständigen" ist Deutschland - den Terroristen, wer auch immer sie seien, sei Dank - zum Alltag zurückgekehrt: Es wird wieder anständig gegen Fremde gehetzt.

Auch andere wissen das furchtbare Elend der Toten und Hinterbliebenen für ihre Zwecke auszubeuten. Eine unheilige Allianz, die vom Bund der Deutschen Industrie über die Internationale Handelskammer bis zum US-amerikanischen Handelsminister Robert Zoellick reicht, hatte bereits Stunden nach den Anschlägen erkannt, dass man nun erst recht weltweit den Freihandel durchsetzen müsse. Schließlich sei dieser gleichbedeutend mit westlicher Zivilisation und Freiheit. Konkret versuchen EU und USA verstärkten Druck aufzubauen, um im November in Katar auf der WTO-Ministertagung eine neue Verhandlungsrunde durchzusetzen. Auf dem Programm steht das Einreißen der letzten Zollschranken für westeuropäische und US-amerikanische Produkte sowie der weltweite Ausverkauf der öffentlichen Versorgungsunternehmen (incl. Gesundheits- und Bildungswesen) an die Konzerne des reichen Nordens. Freiheit meint eben immer noch und zu allererst die Freiheit, Gewinn zu machen.

Klar, dass da Globalisierungskritiker zu Gegnern der "westlichen Zivilisation" werden. Ein Teil von ihnen traf sich Mitte September im bolivianischen Cochabamba zur Versammlung des People Global Action-Netzwerkes, das unter anderem in Seattle führend an den Protesten gegen die WTO beteiligt gewesen war. Die boliviansische Regierung sorgte jedoch dafür, dass einige der ausländischen Delegierten unter entwürdigenden Bedingungen am Flughafen festgehalten und von den Beamten mit Hinweis auf die Anschläge als Terroristen beschimpft wurden. Erst nach fast einem Tag ließ man sie frei.

Was den bolivianischen Behörden recht ist, ist dem italienischen Ministerpräsidenten billig: Silvio Berlusconi, in dessen Regierung ausgewiesene Neofaschisten sitzen, ließ dieser Tage in Berlin wissen, er sehe eine "merkwürdige Übereinstimmung zwischen Globalisierungskritikern und "islamischen Terroristen". Berlusconi werden übrigens seinerseits Verbindungen zur einstigen Geheim-Loge P2 nachgesagt, die wiederum mit dem Anschlag auf den Bahnhof in Bologna in Verbindung gebracht wird, bei dem 1980 85 Menschen ums Leben kamen. (wop)

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