Kernspalte

Wir lassen uns nicht einschüchtern! Wenn die Terroristen nicht zu uns kommen und Flugzeuge in "unsere" Atomkraftwerke steuern, die wir dann weder abfangen könnten noch wollten, dann schicken wir ihnen eben unseren Atommüll entgegen. Die Castor-Transporte gehen weiter. Am 9.10. mit zwei Atommüllbehältern von Brunsbüttel, 3 aus Stade und 2 aus Mülheim-Kärlich, begleitet von der einzigen Anti-Terror-Maßnahme, die der Polizei bisher eingefallen ist, nämlich dem Appell, "eventuelle Proteste gewaltfrei durchzuführen". Strikt daran gehalten hat sich Greenpeace, die den Zug schon am Dienstag abend nahe Brunsbüttel für 30 Minuten stoppten. Am Mittwochmorgen gab es weitere, unspektakuläre Stopps bei Maschen, Buchholz, Bremen, gegen 17.15 Uhr erreichte der Zug Wörth in der Pfalz, wo er zusammengekoppelt wurde und bei Lauterbourg die französische Grenze passierte. In Elsass-Lothringen wurden versuchte Gleisbesetzungen von der Polizei verhindert, so dass der Zug beinahe pünktlich am Donnerstag um 11.45 Uhr in den Verladebahnhof Valognes einlief.

Trittin verlängert die Restlaufzeiten von Atomreaktoren! Und zwar durch nunmehr vier vorübergehende Stillegungen in Philippsburg 2 und 1, Isar 1 und Biblis B. Gemäss dem Atomkonsens sind die dort nicht produzierten Strommengen ohne Weiteres auf die Restlaufzeit anderer Reaktoren übertragbar, bzw. verlängern die eigene Restlaufzeit. Hier macht sich nun bemerkbar, was schon vor über einem Jahr kritisiert wurde, nämlich dass mangelnde Sicherheit im AKW selbst bei strenger Aufsicht kein Nachteil für den Weiterbetrieb sein muss.

Im 24 Jahre alten AKW Isar 1 bei Landshut ist offenbar ein Gutachten manipuliert worden. 2 Mitarbeiter wurden durch E.ON suspendiert bzw. entlassen. Der begutachtende TÜV Süd bemängelte, ihm seien wichtige Informationen vorenthalten worden. Es geht um Nachrüstmassnahmen zur Verbesserung der Sicherheit des Reaktors, der wegen einer Revision sowieso abgeschaltet war, aber vor Klärung nicht wieder ans Netz dürfe.

Im Kraftwerk Biblis B gibt es Schäden in der Hauptkühlleitung. Diese ist von innen mit Edelstahl verkleidet, um Rost vorzubeugen. Behoben werden müssen die Schäden sowieso, aber die Reaktorsicherheitskommission will sich auch mit der Frage befassen, wie es überhaupt zu den Schäden kommen konnte - bei Einwirkung radioaktiver Isotope und Spaltprodukte eine heikle Frage, die wohl nie richtig beantwortet werden kann.

Der zweite Block in Philippsburg wurde, wie schon vor zwei Wochen gemeldet, stillgelegt, weil Borsäure im Kühlmittel fehlte und dieser Vorfall von der Kraftwerksleitung verharmlost wurde. Zwei Vorstandsmitglieder von EnBW sind inzwischen zurückgetreten, dem TÜV Südwest wurden die Gutachteraufträge entzogen und an den TÜV Rheinland und die Schweizer Atombehörde HSK übertragen (vom Regen in die Traufe...). Gegen Stuttgarts Umweltminister Müller läuft ein Entlassungsantrag der SPD. Mittlerweile ist auch im Block 1 eine Panne mit defekten Ventilen und "Kleinstleckagen" aufgetreten. Wieder hätte sich EnBW nicht richtig verhalten und wollte nach Schadensbehebung den Vorfall zunächst gar nicht melden, sagte Müller. Zum Austausch einer Armatur ist der Reaktor am letzten Wochenende heruntergefahren worden.

Apropós HSK und Borsäure: Am vergangenen Wochenende gab die "Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen" zweimal grünes Licht nach Zwischenfällen am Schweizer AKW Beznau 2 zum Wiederanfahren. Freitag vormittag hatte ein Kurzschluss zu einer Schnellabschaltung geführt, am Nachmittag gab es Probleme an einer Turbine, woraufhin die Betriebsmannschaft reichlich Bor ins Kühlwasser schüttete - zuviel, so dass er wieder abgeschaltet werden musste.

Wegen der Anschlagsgefahr will Trittin noch einmal mit den Betreibern der AKWs verhandeln - allerdings nicht mit dem Ziel, alle früher stillzulegen, sondern sogenannte "unsichere" ältere früher vom Netz zu nehmen und dafür andere "sicherere" länger laufen zu lassen. In der für ihn typischen Upside-Down-Logik erklärte er, wer nach den Terroranschlägen nun einen Sofortausstieg verlange, werde "einen Betrieb bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag bekommen". Schon rein rechnerisch wird der dabei auf jeden Fall herauskommen, denn das Auslaufen bis 2025 muss - sollte seine Verhandlung von Erfolg gekrönt sein - wohl um weitere 10 Jahre nach hinten korrigiert werden.

Die Pannen in Philippsburg waren kein Hindernis für die EU-Kommission, dem Einstieg von EnBW beim viertgrößten spanischen Energiekonzern Hidrocantábrico zuzustimmen. Nachdem nun auch die spanische Regierung ihr Veto (Sperrung der Stimmrechte) aufgehoben hat, teilen sich EnBW und der Mischkonzern Ferroatlántica fast 60% der Anteile an Hidrocantábrico.

Temelin stand vom 12. bis 15.10. mal wieder "wegen Wartungsarbeiten" still. Der Reaktor liefert nun (naja, bei Redaktionsschluss) 350 MW Energie, 45% der Kapazität. Die Atomsicherheitsbehörde in Prag prüft eine Steigerung auf 75%.

Castorzug

Unsicherheit um den nächsten Gorleben-Transport: Kommt er am 5./6.11., oder am 12./13.11.? Die Polizei sprach von letzterem, könnte aber eine Finte sein. Auf jeden Fall wird es am Samstag vor dem Tag X Auftaktkundgebungen in Karlsruhe und Lüneburg (Treffpunkt Sülzwiesen um 10 Uhr, Demo vor die Bezirksregierung bis 12.30 Uhr) geben mit anschließender Fahrt in die Camps an der Bahnstrecke. Es werden 18.000 Polizei- und BGS-Beamte erwartet, davon ca. 6.000 aus Niedersachsen, 8.000 aus anderen Bundesländern und 4.000 vom BGS. Zahlreiche Unterkünfte sind bereits errichtet, was für die Demonstranten noch bevor steht. Angeblich hat sich an der Taktik der Polizei nichts geändert, statt Schilys harter Hand werden weiterhin "Konfliktmanager" eingesetzt, die nirgends zu finden sein werden.

Am Sonntag um 12 Uhr wird man sich zu einer Kundgebung in Splietau versammeln, um 14 Uhr gibt es in Hitzacker ein Kabarettprogramm, und in den folgenden Tagen sind in Dahlenburg, Dannenberg, Uelzen und anderen Orten Kundgebungen angemeldet. Das Betreten der Schienen wird auch in Zukunft nur eine Ordnungswidrigkeit darstellen, wie das OLG Celle in einer Beschwerdesache von Jochen Stay, Sprecher von X-1000-mal-quer, feststellte, eine "erhebliche Gefährdung der Allgemeinheit", die das Landgericht Lüneburg in erster Instanz für gegeben ansah, sei "nicht nachvollziehbar". Es ist vielleicht nicht ganz unwichtig, darauf hinzuweisen, dass Beschwerden gegen überzogene Polizeimaßnahmen wie tagelangen Polizeiarrest wegen dieser Ordnungswidrigkeit eine gewisse Aussicht auf Erfolg haben. (BG)

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