Globalisierung

Hausaufgaben machen

WTO tagt doch in Katar. Internationaler Aktionstag geplant. ATTAC diskutiert Argumente gegen WTO

Nun ist es amtlich: Das Ministertreffen der Welthandelsorganisation WTO wird wie geplant im Golfstaat Katar stattfinden. Das gab WTO-Generalsekretär Mike Moore am 22.10. laut AP in der Landeshauptstadt Doha bekannt. Es sei denn, es käme "etwas Seismisches oder Katastrophales dazwischen" meinte der Neuseeländer in seiner gewohnten Hemdsärmligkeit. Zuvor hatte es hinter den Kulissen wochenlanges Gerangel um die Verlegung des Treffens nach Singapur oder Genf gegeben, weil Bedenken aufgekommen waren, die Sicherheit der Teilnehmer könnte nicht gewährleistet sein. Angesichts des britisch-amerikanischen Angriffs auf Afghanistan war es vor allem einigen westlichen Regierungen mulmig geworden. Dem Vernehmen nach soll aber sowohl Katar als auch eine Reihe anderer arabischer Staaten auf der Austragung der Konferenz am Golf beharrt haben.

Vermutlich wird man sich in Washington, London, Paris und Berlin auch der Vorteile besonnen haben, die letztes Jahr dazu führten, das Angebot des Emirs anzunehmen: Proteste von Globalisierungskritikern und -opfern sind in der absoluten Monarchie nicht zu befürchten, denn NGO-Vertreter werden nur ca. 150 ins Land gelassen und die Arbeiterklasse des Landes ist, da aus Ausländern bestehend, in einer fast vollständig rechtlosen Lage.

Dennoch wird die WTO-Tagung nicht ohne Proteste still und leise über die Bühne gehen. Rund um den Globus rufen Aktionsgruppen und Gewerkschaften zu dezentralen Protesttagen am 9. und 10. November auf. Auch die vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wird sich daran beteiligen, versprach deren stellvertretende Vorsitzende Margret Mönig-Raane am Wochenende auf dem ATTAC-Kongress in Berlin.

Auch viele lokale ATTAC-Gruppen planen Kundgebungen oder andere Aktionen am 10. November und so spielte das Thema WTO auf dem gutbesuchten Kongress der jungen Organisation eine nicht unwesentliche Rolle, wobei sich in verschiedenen Arbeitsgruppen zeigte, dass es bei Aktiven und Interessierten noch viel Informationsbedarf gibt. Die komplexe Materie der verschiedenen WTO-Verträge ist bisher in der deutschen Öffentlichkeit kaum bekannt. Die Kritik von Globalisierungskritikern an der WTO konzentriert sich derzeit vor allem auf drei Bereiche. Zum einen wird eine Verhandlungsrunde über die weitere Liberalisierung des Welthandels, wie sie vor allem die EU fordert abgelehnt. Zum anderen verfolgt man die in zwei wichtigen Gebieten bereits laufenden Verhandlungen, nämlich für den Agrar- und den Dienstleistungssektor, mit großer Skepsis. Über beide wird bereits seit Anfang 2000 verhandelt, allerdings ohne das es bisher eine nennenswerte Annäherung der Standpunkte gegeben hätte.

Der internationale Austausch von Dienstleistungen, zu denen der Finanz- und Versicherungssektor, aber auch Ver- und Entsorgungsunternehmen von Müll über Telekommunikation bis zu Wasser und Strom gezählt werden, ist im GATS-Vertrag geregelt. Bereits 1994, als im marokkanischen Marakesch die WTO formal aus der Taufe gehoben wurde, hatte man sich darauf geeinigt, dass dieser Vertrag überarbeitet werden soll. Die Industriestaaten drängen auf eine weitgehende Liberalisierung und die Öffnung dieses Sektors für den internationalen Wettbewerb. Die Hoffnung ist dabei, dass der Liberalisierung die Privatisierung auf dem Fuße folgen wird. Vor allem in den Schwellenländern Ostasiens locken gewaltige Märkte.

Aber auch daheim haben europäische Konzerne einen begehrlichen Blick auf profitable Teile des öffentlichen Dienstes geworfen. So berichtete z.B. René Schulenburg vom internationalen Studentennetzwerk "EU For The People" (EU für die Menschen) auf dem ATTAC-Kongress davon, dass die EU-Kommission und die neuseeländische Regierung in den GATS-Verhandlungen darauf dringt, den Bildungssektor einzubeziehen. In Niedersachsen werde bereits diskutiert, die Hochschulen in Stiftungen umzuwandeln, berichtete ein anderer Diskussionsteilnehmer in der Arbeitsgruppe "GATS 2000: Widerstand gegen die weltweite Liberalisierung von Dienstleistungen". Die Studentenorganisation plant aus diesem Grunde eine Beteiligung an den Protesten gegen den Dezember-EU-Gipfel in Brüssel.

Wie sehr sich die Probleme in vielen Ländern gleichen, zeigte ein Beitrag von Peter Streckeisen von ATTAC Schweiz in der gleichen Arbeitsgruppe. In der Schweiz werde gerade mit der Privatisierung der Post begonnen. Ein Drittel aller Filialen solle geschlossen und das Tempo der Zustellung erheblich verlangsamt werden. Auf der anderen Seite werde der Druck auf die Beschäftigten massiv gesteigert. Wer nicht entlassen wird, müsse deutlich mehr arbeiten als bisher.

Ein Berliner Teilnehmer kritisierte, dass hiesige Gewerkschaften in vergleichbaren Fällen ihre Hausaufgaben nicht gemacht hätten. Privatisierung würde weniger bekämpft als begleitet. Die Aufgabe ATTACs sah er darin, z.B. auch gegen drohende Privatisierung von Krankenhäusern vorzugehen und entsprechenden Druck auf die Gewerkschaften zu entwickeln.

Dabei könne es allerdings nicht nur um die Verteidigung des Status quo gehen, betonte Streckeisen, wie auch andere Diskutanten. Wichtig sei es, die Rechte der Nutzer des öffentlichen Dienstes zu betonen, die sich nicht selten zu Recht an bürokratischen Strukturen stießen. Außerdem, so der Schweizer, sollte durchaus auch mal darauf hingewiesen werden, dass es noch andere Formen des Wirtschaftens als den Markt gebe. (wop)

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