Antifaschismus

Demo am 9.11.

"Wer denkt schon an Rechtsextremismus in Zeiten wie diesen ..."

9. November: Jahrestag der Reichspogromnacht. Im letzten Jahr für viele Tausend Menschen in Kiel Anlass, auf die Straße zu gehen und sich denen entgegenzustellen, die heute im Geist des Hitlerfaschismus Menschen verfolgen und töten. Aber: "Wer denkt schon an Rechtsextremismus in Zeiten wie diesen", schrieb Pitt von Bebenburg am 5.10.01 in der "Frankfurter Rundschau". "Wenn über `innere Sicherheit´ räsoniert wird, ist der internationale Terrorismus gemeint... Die Gefahr aus der Mitte dieser Gesellschaft droht vergessen zu werden - angesichts der Bedrohungen aus dem Dunkeln." -

Mit dem vorstehenden Absatz beginnt eine Presseerklärung des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus in Kiel, überschrieben: "Warum wir am 9. November gemeinsam auf die Straße gehen sollten". Wie viele Menschen sich in diesem Jahr von dieser Notwendigkeit überzeugen ließen, werden wir bei Erscheinen dieser "LinX" wissen. 6000, so die nüchterne Erwägung der Veranstalter im Vorfeld, werden es wohl eher nicht ...

Dabei gilt es gerade heute zu zeigen, dass uns das im letzten Jahr formulierte Anliegen ernst ist, nämlich mit langem Atem einen anhaltenden Kampf gegen die mörderischen Nazi-Umtriebe in diesem Land zu führen und die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen aufzuspüren und zu beseitigen, die diese Umtriebe begünstigen. Dabei müssen wir uns auch fragen, was wir in dem vergangenen Jahr in diesem Sinne erreicht haben.

Eine bittere Feststellung steht am Beginn einer solchen Bilanz: Gründe für unser Engagement gibt es weiterhin mehr als genug. In meiner Rede auf der letztjährigen Kundgebung habe ich gesagt: "Mir liegt am Herzen, dass es in Kiel nach unserer heutigen Demonstration nicht so weitergeht wie nach der letzten. Ich will nicht noch einmal – nach sieben Monaten so wenig wie nach sieben Jahren – hier stehen und Tote betrauern und zusehen müssen, wie die Bedingungen des Mordens weiter bestehen bleiben." Das Morden aber ist immer weiter gegangen. Mindestens vier weitere Morde aus rassistischen und faschistischen Motiven sind in den vergangenen Monaten bekannt geworden, wie die "Frankfurter Rundschau" und der Berliner "Tagesspiegel" dankenswerterweise in Fortschreibung ihrer Aktion "Den Opfern einen Namen geben" berichtet haben. Obwohl auch diese Zeitungen sehr vorsichtig sind in ihrer Darstellung, obwohl es an ihren Veröffentlichungen nicht den geringsten Zweifel geben kann, unterschlagen die Statistiken der Regierung noch immer etwa zwei Drittel der Opfer. Diese Zahlenwerke nennen 37 Opfer. Die genannten Zeitungen nennen 97 und geben gleichzeitig an, "dass die Zahl der Opfer rechtsextremer Gewalt vermutlich weit über die belegten 97 Fälle hinausgeht".

Dieser Fortgang von Gewalttaten und Morden erfüllt mich mit Trauer, Zorn und Gewaltbereitschaft, um mal Begriffe zu verwenden, die in der Debatte oft umstritten sind. Für mich offenbart die Unfähigkeit, den Faschismus und seine Befürworter zu hassen, sowieso bemerkenswerte Gefühlsdefizite. (Erfahrungsgemäß haben gerade PolitikerInnen, die auf solche Äußerungen entsetzt reagieren, überhaupt keine Probleme mit haßerfüllten und gewalttätigen Aktionen, wenn sie ihnen ins Konzept passen, handele es sich nun um Polizeieinsätze gegen AntifaschistInnen oder um mit verlogenen Motiven gerechtfertigte Angrifsskriege.) Haß auf den Faschismus ist die Voraussetzung für Menschenliebe. Die moralischen Werte der Toleranz, der Solidärität, des friedlichen Miteinander lassen sich nur im Kampf entwickeln, die Überwindung von Haß und Gewalt ist nicht anders zu erreichen.

Wie die NPD und die unverhohlen nationalsozialistischen "Freien Kameradschaften" versucht haben, in Kiel die Straße zu erobern, haben wir besondern im Frühjahr und Sommer dieses Jahres erleben können. Entschlossener antifaschistischer Widerstand war die Grundlage dafür, dass es ihnen nicht gelungen ist. Wir müssen auch weiterhin bereit sein, ihre Propagandaaktionen zu unterbinden. Die gesamte antifaschistische Arbeit in Kiel hat einen starken Rückhalt in der Existenz und den Aktivitäten des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus in Kiel gefunden. Der Runde Tisch, ins Leben gerufen auf Initiative der IG-Metall-Vertrauensleute unserer Stadt, ist nach wie vor stark von gewerkschaftlichem Engagement geprägt. Seine Aktivitäten, zu denen Demonstrationen und Kulturveranstaltungen ebenso gehören wie aufklärende Veranstaltungen über die Lebenssituation ausländischer KollegInnen oder die Ursachen von Flucht und Migration, stellen Bündnisse in verschiedene gesellschaftliche Bereiche her. Hier arbeiten VertreterInnen von Kirchengemeinden mit KommunistInnen, unabhängige AntifaschistInnen mit SozialdemokratInnen zusammen. Als feste und sehr nützliche Grundlage dieser Aktivitäten hat sich die "Kieler Erklärung gegen Rassismus und Faschismus" erwiesen, die in dieser Zeitung ausführlich vorgestellt wurde. An ihre Forderungen, die so ganz der aktuellen Politik des Bundesinnenministeriums entgegenstehen, werden wir auch auf der Demonstration am 9.11. unüberhörbar erinnern.

"Das Thema Rechtsextremismus gehört wieder auf die politische Tagesordnung", forderte Pitt von Bebenburg in dem oben zitierten Kommentar. Wir arbeiten daran. Trotz politischer Rahmenbedingungen, die ungünstiger sind als im vergangenen Jahr: vom "Aufstand der Anständigen" ist nicht viel zu sehen, und gerade antifaschistische und gesellschaftskritische Kräfte werden ebenso wie ganze Bevölkerungsgruppen ausländischer Herkunft im Zeichen des "Kampfes gegen den Terror" diskriminiert. Wir arbeiten daran auch mit unserer Demonstration, die aus aktuellem Anlass unter dem Motto "Für ein friedliches Miteinander der Kulturen - gegen Terror, Hass und Fremdenfeindlichkeit" steht. "Nicht die Beschneidung allgemeiner demokratischer Rechte muss die Losung der Stunde sein, sondern ihre Bewahrung und ihr Ausbau. Dazu zählt die Gleichberechtigung aller Menschen, die hier leben. Dazu zählt eine humane Flüchtlings- und MigrantInnenpolitik, die das Asylrecht nicht weiter beschneidet, sondern alle Beschneidungen rückgängig macht. Für Faschismus gleich welcher Spielart gibt es dabei keinen Platz. Wir fordern Verbot und Auflösung der NPD und aller anderen faschistischen Organisationen. Denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen." (Presseerklärung des Runden Tisches)

Zur Werbung für unsere Demonstration wurde unter anderem in mehr als 100 Bussen der KVAG unser Plakat aufgehängt und war dort vom 1. bis zum 9.11. für viele KielerInnen sichtbar. Die Kosten dafür wurden aus einem Fonds der Ministerpräsidentin gedeckt. Die Kieler Stadtpräsidentin, Frau Cathy Kietzer, fand sich bereit, im Namen der Stadt Kiel die DemonstrantInnen auf dem Rathausplatz zu begrüßen. Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus wird in Kiel zu einer Institution, deren Bestand und nicht zuletzt deren Lebendigkeit zu sichern unser aller Anliegen sein sollte. Deshalb auch hier die Aufforderung an alle AntifaschistInnen unserer Stadt: Macht mit am Runden Tisch. Die nächsten Treffen finden statt am 13.11. und am 27.11. jeweils um 18.30 Uhr im Kieler Gewerkschaftshaus, Legienhof, Legienstr.22. (D. L.)

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