Solidarität von unten statt Bomben von oben!
Khalid Mehmood ist pakistanischer Gewerkschafter und Sozialist und führte 1991 einen wichtigen Arbeitskampf der Telekom-Angestellten. Dieser Streik war 1997(!) der Anlass, ihn und 96 weitere Kollegen fristlos zu entlassen. Neben seiner Funktion als Zentralsekretär der PTCLSU (Telekom-Gewerkschaft) ist er seit zwei Jahren Generalsekretär der PTUDC (Kampagne zur Verteidigung der pakistanischen Gewerkschaften). Die PTUDC wurde 1995 mit dem Ziel gegründet, die Einheit der Gewerkschaftsbewegung wiederherzustellen und AktivistInnen vor staatlicher Repression zu schützen. Seit der Machtübernahme durch die Militärs im Oktober 1999 wurde eine ganze Reihe gewerkschaftsfeindlicher Gesetze beschlossen. Legale gewerkschaftliche Gegenwehr soll so unmöglich gemacht werden. Im öffentlichen Dienst wird alles von den Militärs kontrolliert, in den Betrieben patrouillieren bewaffnete Soldaten. Während des Eisenbahnerstreiks wurden etliche Gewerkschafter verhaftet, das Büro der größte Gewerkschaft einfach geschlossen. Auch wurden bereits führende Aktivisten der PPP, die für ihre sozialistischen Ideen bekannt sind, verhaftet. Die Polizei kommt regelmäßig in unser Gewerkschaftslokal und droht uns mit Repressionen. Wir müssen damit rechnen, dass das Regime von einem Tag auf den anderen, ohne irgendeinen Vorwand, seine volle Brutalität zeigen wird.
Was will die PTUDC
Anlass zur Gründung der Pakistan Trade Union Defense Campaign (PTUDC) war die Ermordung des bekannten Gewerkschafters Arif Shah im Jahr 1995. Sein einziges "Verbrechen" war, dass er kompromisslos gewerkschaftlichen Widerstand gegen die Privatisierungspläne organisiert hatte. Seine Mörder waren von Unternehmern angeheuert worden. Die pakistanische Gewerkschaftsbewegung ist extrem zersplittert. Es gibt in Pakistan mehr als 8.600 Gewerkschaften, alleine bei der Eisenbahn sind es 134, bei der Telekom 15. Dabei sind keine 2 Prozent aller ArbeiterInnen überhaupt gewerkschaftlich organisiert. In der Privatwirtschaft gibt es fast nur gelbe Gewerkschaften. Wer eine echte Gewerkschaft gründen will, begibt sich in Lebensgefahr. Die Bewegung ist entlang ethnischer, regionaler, politischer und religiöser Linien gespalten. Das Ziel der PTUDC ist es, alle Gewerkschaften, die ernsthaft für die Rechte der ArbeiterInnen kämpfen wollen, auf einer gemeinsamen Plattform zu vereinen. Derzeit sind mehr als 20 Gewerkschaften aus den verschiedensten Bereichen (Eisenbahn, Telekom, Zuckerindustrie, öffentliche Banken, Gemeindebedienstete, Zuckerindustrie, Stahlindustrie...) in der PTUDC zusammengeschlossen. In vielen privaten Betrieben arbeiten unsere KollegInnen in der Illegalität.
Widerstand gegen Privatisierungen
Im Mittelpunkt steht unser Kampf gegen Privatisierungen und Massenentlassungen. Vor allem bei der Eisenbahn und der Telekom. In der Zuckerindustrie führten wir ebenfalls eine Reihe von harten Streiks. In einer Fabrik konnten wir nach einer dreimonatigen Besetzung sogar das Unternehmen zum Nachgeben zwingen. Immer wichtiger wird der Kampf für die Rechte der Arbeiterinnen. Vor allem die multinationalen Konzerne stellen mehr und mehr Frauen ein. Ihre Löhne liegen in der Regel 42 Prozent unter dem Durchschnittslohn männlicher Kollegen; während Männer etwa 10 Stunden arbeiten, müssen sie 12-15 Stunden pro Tag arbeiten. Sexuelle Belästigung ist allgegenwärtig. Es gab bereits mehrere Fälle, dass Frauen erst in der Dunkelheit die Fabriken verließen und dann auf dem Heimweg vergewaltigt wurden. Deshalb starteten wir eine Kampagne zur Verkürzung der Arbeitszeit von Arbeiterinnen bei vollem Lohnausgleich. In 2 Betrieben waren wir aufgrund des mutigen Auftretens unserer Aktivistinnen mit dieser Forderung auch schon erfolgreich
Kinderarbeit
Die Kinderarbeit hat in Ländern wie Pakistan eine eindeutige Ursache - das allgemeine Elend. 53% der 140 Millionen Pakistanis leben unter der Armutsgrenze. Wir haben 30 Millionen Arbeitslose. Unzählige Familien sind gezwungen, ihre Kinder arbeiten zu lassen. Eine Schulbildung ist für sie nicht zu finanzieren. Durch die Privatisierung der Schulen und Unis und der massiven Erhöhung des Schulgeldes ist das Bildungssystem völlig auf eine kleine Elite zugeschnitten. Der Anteil für Bildungsausgaben am Gesamtbudget ist nicht höher als 0,3%, der für Gesundheit 0,7%. Solange es Armut, Arbeitslosigkeit und keine soziale Absicherung im Alter gibt, wird es hier auch Kinderarbeit geben
Frauen in Pakistan
Schon die vorige Militärdiktatur setzte verstärkt auf islamistische Gruppen. Dies schlug sich in einer Reihe von diskriminierenden Gesetzen nieder. So zählt vor Gericht die Aussage eines Mannes soviel wie die von zwei Frauen. Oder wenn eine Frau eine Vergewaltigung anzeigen will, braucht sie 4 männliche Zeugen, die sie unterstützen. Gelingt ihr das nicht, kann sie zu 14 Jahren Haft verurteilt werden. Derzeit sitzen rund 5000 Frauen deshalb im Gefängnis. Hinzu kommt das Wiederaufleben einer Reihe von Traditionen, wie die sogenannten "Ehrenmorde" Diesem ungeschriebenen Gesetz zufolge kann eine Frau, der "unmoralisches Handeln" vorgeworfen wird, von ihren männlichen Familienmitgliedern bestraft werden. Verstümmelung, Gruppenvergewaltigung und auch Mord sind die Folge
Religiöse Fundamentalisten
Islamisch fundamentalistische Gruppen in Pakistan spielen die Rolle
von Faschisten. Ihr Einfluss stützt sich auf Waffengewalt, Einschüchterungen
und gewaltige finanzielle Mittel. Das Geld bekommen sie durch den Drogenhandel
(vor allem Heroin) und Waffenschmuggel und durch mehr oder weniger direkte
Unterstützung seitens des Regimes. Mit ihren gelben Gewerkschaften
sind sie ein Rammbock der Unternehmen gegen die ArbeiterInnen. Der Aufstieg
dieser Cliquen ist eine der reaktionärsten Gefahren in dieser kranken
Gesellschaft.
Kurz nach Kriegsbeginn erhielten wir noch den folgenden Solidaritätsappell von der PTUDC.
Während der Krieg Afghanistan weiter verwüstet, machen sich in Pakistan Unsicherheit, Aufruhr und Verwirrung breit. Gegenwärtig scheine die ersten Protestdemonstrationen gegen den Krieg von den Fundamentalisten beherrscht zu sein. Aber sobald sich breite Schichten der Bevölkerung aktivieren, wird sich dies ändern. Zunächst dient der Krieg dem pakistanischen Militärregime dazu, Angriffe auf die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der Arbeiter, Bauern und unterdrückten Menschen zu verschärfen. Die Tage des Musharraf-Regimes scheinen gezählt, aber freiwillig wird dieses Regime nicht abtreten. In den letzten beiden Jahren hat dieses Regime im Auftrag von IWF und Weltbank Massenentlassungen und Privatisierungen angeordnet. Die Reallöhne wurden gedrückt, der Arbeitstag verlängert. Gestiegene Energiepreise tragen weiter zur Verarmung der Arbeiterklasse bei
All diese Angriffe waren bisher möglich, weil sich Gleichgültigkeit im Lande breitgemacht hat. Die Massen wurden von den vorangegangenen "demokratischen Regimes" und den Politikern gnadenlos enttäuscht. Dies gilt insbesondere für die Volkspartei (PPP) und deren Führerin Benazir Bhutto. Der weitgehende Zusammenbruch der Linken brachte der Arbeiterbewegung weitere Rückschläge: aus den meisten linken Organisationen wurden NGO-Filialen, die von westlichen imperialistischen Institutionen finanziert und gesponsert wurden. Diese nicht uneigennützige Finanzierung durch westliche Geldgeber hat besonders in den Gewerkschaften fatale Spuren hinterlassen. Viele Gewerkschaftsführer wurden regelrecht mit lukrativen Bürojobs bei NGOs "gekauft". Dies hat die Korruption und Kompromisslerei weiter gestärkt. Diese "liberalen" Gewerkschaftsführer haben bei der Privatisierung von Staatsbetrieben und Massenentlassungen mitgewirkt und die Last auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung weiter vergrößert.
Vor diesem Hintergrund haben islamische Fundamentalisten in den Gewerkschaften Fuß gefasst, weil sie sich den politischen Ausverkauf der Apparate zunutze machen konnten. Mit abenteuerlichen politischen Kamikazeaktionen wurden einige Gewerkschaften zerstört. Gleichzeitig haben die Fundamentalisten massiv Druck auf linke Gewerkschafter ausgeübt. Einzelne von ihnen wurden Mitte der 90er Jahre ermordet. Fundamentalistisch kontrollierte Gewerkschaften sind tyrannisch geführt und sind ein Fluch für die betroffenen Belegschaften. So sind nur 2,5 bis 3% der Beschäftigten überhaupt organisiert.
Anfang der 90er Jahre galten 22% der Bevölkerung als "absolut arm". Heute sind es über 50 Prozent. Die NGO-finanzierten Organisationen haben nichts mehr anzubieten – außer individuellen Almosen. Die wirtschaftliche Wachstumsrate ist mit 2,6% niedriger als das Bevölkerungswachstum. Bildung und Gesundheitswesen sind nur noch ein Privileg für ganz wenige. Die Pläne, allein im Haushaltsjahr 2001/2002 in öffentlichen Betrieben und Behörden 900.000 Arbeitsplätze zu vernichten, bedeutet für Arbeiterfamilien und Jugendliche eine Katastrophe. Angesichts einer drohenden kapitalistischen Weltrezession werden sich die Zustände in Pakistan weiter verschlimmern.
Aktuell ist nichts wichtiger als ein kämpferisches Programm und klare Perspektiven und eine Führung in der Arbeiterbewegung, die gegenüber Opportunismus und ultralinkem Abenteurertum immun ist. Diesem Ziel hat sich die PTUDC seit ihrer Gründung vor 6 Jahren verschrieben. Wir organisieren Alltagskämpfe in Betrieben, machen Aufklärungskampagnen und Demonstrationen gegen Privatisierung und Arbeitslosigkeit. Wir haben sowohl gegen das Militärregime wie auch gegen die Fundamentalisten zu kämpfen.
Jetzt haben wir eine neue Kampagne gegen den imperialistischen Krieg gestartet. Denn der Kampf gegen den islamischen Fundamentalismus und den Imperialismus ist eine ureigene Aufgabe der Arbeiterbewegung. Anders als Afghanistan hat das Nachbarland Pakistan eine relativ starke Wirtschaft, Industrie, Infrastruktur und Arbeiterklasse. Sie ist die wichtigste Kraft im Kampf gegen die barbarischen Methoden der Fundamentalisten. Uns geht es darum, die arbeitende Bevölkerung zusammenzufassen gegen die Lasten, die uns jetzt in Folge des Krieges aufgebürdet werden. US-Imperialismus und Fundamentalismus sind nur zwei Seiten der selben Medaille.
In den kommenden Tagen veranstalten wir landesweite Demonstrationen unter dem Motto "Fundamentalistischer Terror, imperialistischer Angriff und die Aufgaben der Arbeiterklasse". Wir rechnen mit vielen tausend Teilnehmern, GewerkschafterInnen, Frauen, Jugendlichen, Studierenden. Bekannte Gewerkschafter, Frauen, Studenten und linke Intellektuelle werden reden. Unterstützt uns in dieser schwierigen Aufgabe, wo immer und wie immer Ihr könnt. Wer im Stich lässt seinesgleichen, lässt ja nur sich selbst im Stich. Zeigen wir den Fundamentalisten, den Imperialisten, den Unternehmern, den Diktatoren, Militärführern und Unterdrückern, dass wir zusammenstehen und kämpfen. Gemeinsam werden wir die Fundamentalisten, Imperialisten und Kapitalisten besiegen. Wir haben nichts zu verlieren als unsere Ketten. Wir haben eine Welt zu gewinnen.
Unterschrieben von 35 Erstunterzeichnern mit Funktionen in verschiedenen Gewerkschaften in ganz Pakistan.
PTUDC, PO Box 6977, London,N1 3JN (England)
PTUDC, Postfach 2112,65011 Wiesbaden.
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; Tel. und Fax:0611/4068070173/6528418
siehe auch: www.bahnvonunten.de/ptudc
Weitere, den Tatsachen zumindest nahekommende, Berichte an artikel@sozialismus-jetzt.de sind willkommen. "Internet-Enten" und andere kolportierte Desinformationen nicht! Derartiges zu produzieren und um den Erdball zu jagen gelingt heutzutage nicht nur der US-Administration! W. Jard
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