Internationalismus

Veranstaltung im Gewerkschaftshaus:

"Was kann in Afghanistan wirklich helfen?"

Mit Unterstützung des Freundeskreises Afghanistan e.V. bot die IG Metall Kiel eine Ausstellung vom 12. bis 21. November und am 16. November abends eine Informationsveranstaltung an: Unter den fünfzig Teilnehmern – die vorher Gelegenheit hatten, vom Zeitzeugen Elmar Krammig durch die Ausstellung geführt zu werden und so einen Einblick in die afghanische Gesellschaft illustriert vermittelt zu bekommen – befanden sich auch in Deutschland lebende Afghanen. Am Rande der Veranstaltung waren Info-Stände der Welthungerhilfe, der Gesellschaft für bedrohte Völker und Amnesty International zu besichtigen. Durch die Veranstaltung führte Reiner Sielaff, der Mitte der 70er Jahre zwei Jahre als Entwicklungshelfer in einer Textilfabrik in Herat gearbeitet hat, und heute als Gewerkschaftssekretär der IG Metall auch für deren örtlichen Ausländerausschuss zuständig ist.

Zu einem Austausch von politischen Positionen zur Frage "Was kann Afghanistan wirklich helfen?" kam es erst zum Ende der Veranstaltung. Vorher stellten sich die genannten Organisationen vor. Mit Dia- und Filmbeiträgen "Afghanistan: Land, Leute und Projekte" und über "Erfahrungs- und Erlebnisberichte aus Afghanistan" wurde historisches, alltägliches und landschaftliches etwas langatmig berichtet und bebildert. Putschistische Installationen von Regierungen waren im letzten Jahrhundert die Regel. Die Taleban wurden am Anfang ihrer Herrschaft – nach den Bürgerkriegswirren – von größeren Teilen der Bevölkerung als Ordnungsmacht akzeptiert, wurde berichtet. Erst nachdem Ahmadjan Amini, der im Norden Afghanistans aufgewachsen ist und seit 20 Jahren in Deutschland lebt, aus seiner persönlichen Betroffenheit heraus eine subjektiv-positive Bewertung der "Nordallianz" vornahm, kam Bewegung in die dahinplätschernde Veranstaltung. Der Begriff "Nordallianz" wurde demnach von den Taleban und deren vormaligen imperialistischen/islamistischen Gönnern und Förderern (USA, Pakistan etc.) zwecks nationaler Diskreditierung genutzt. Richtig soll der Name "Nationale Allianz" lauten. Ob diese mit ihren aktuellen militärischen Erfolgen einer späteren nationalen Versöhnung den Weg versperrt, war eine der diskutierten Fragen. Offensichtlich haben alle politischen Anhang und militärische Kraft vorweisenden Organisationen im Lande reichlich frisches Blut aus jüngster Vergangenheit am Messer.

Favorisiert wurde eine traditionelle Stammessprecherversammlung in Kabul oder einer anderen Stadt im Lande, die von keiner afghanischen Fraktion militärisch beherrscht werden dürfte. Wer stattdessen den militärischen Schutz dieser Stadt, der Stammesversammlung und einer hieraus hervorgehenden nationaler (Übergangs-)Regierung gewährleisten soll, wurde von niemandem gesagt. "Politische Macht kommt aus den Gewehrläufen!" erlaubt sich der Autor an dieser Stelle Mao Tsetung zu zitieren. Nicht nur, aber wer auf den Stühlen Platz nimmt, wird eben auch militärisch entschieden und verteidigt.

Fast alle Redner verurteilten das US-Bombardement, einige den Durchmarsch der "Nationalen Allianz" aus dem Norden. Die veränderte Situation im Lande wurde jedoch durchgehend begrüßt. Alternative politische Kräfte in Afghanistan und im Ausland wurden im Saal nicht benannt. Für die in den imperialistischen europäischen und amerikanischen Ländern verweilenden Afghanen (rund 80.000 in Deutschland) scheint der Drang, sich in die Entwicklung in Afghanistan vor Ort einzumischen, nicht sehr ausgeprägt zu sein. Ob bei den zahlreichen in Pakistan und Iran lebenden Afghanen die Bereitschaft größer ist? In der bürgerlichen Presse werden die in den letzten 20 Jahren ins imperialistische Ausland geflohenen Afghanen gerne der "Oberschicht" zugeordnet. Der alte König Zahir Schah gilt als rückkehrwillige Symbolperson. Nach eigenem Bekunden ist er zur Rückkehr bereit, auch um auf heimatlichem Boden zu sterben. Am Tage nach der Veranstaltung (kurz vor Redaktionsschluss der LinX) berichten die Medien von der Rückkehr des 1996 durch die Taleban gestürzten Präsidenten Burhanuddin Rabbani. Der beansprucht auch für die noch lebenden ehemaligen Minister die alten Ämter und verkündete, alle Volksgruppen versöhnen zu wollen. In Herat ist am selben Tag aus iranischem Exil der ehemals aus talebanischer Haft geflohene Gouverneur eingetroffen und hat seinen alten Stuhl besetzt. Ob es bürgerliche oder gar sozialistische Kräfte organisiert und formiert zumindest im Ausland gibt? Der Boden in Afghanistan scheint entsprechenden Kräften noch zu heiß zu sein! Was bei fehlendem Massenanhang auch verständlich ist!

(W. Jard)

LinX-Startseite Inhaltsverzeichnis