Sozialpolitik

Opposition im Aufbau

Eindrücke von der Veranstaltung "Der Weg in die Armut" über die geplante Abschaffung von Arbeitslosenhilfe am 6. November

Mit der Unterstützung der Erwerbslosengruppe ver.di Kiel-Plön luden die Arbeitsloseninitiative Kiel e.V., die Armutsinitiative TUWAS Flensburg und ELIA Neumünster am 6.11.2001 zu der Veranstaltung "Der Weg in die Armut" in die Pumpe in Kiel ein und über 50 Menschen kamen.

Die Veranstaltung verfolgte im Rahmen einer bundesweiten Kampagne zunächst den Zweck, über die einschneidenden Eingriffe, so auch über die geplante Streichung der Arbeitslosenhilfe und die Folgen zu informieren, die dem Wohlfahrtstaat in Deutschland und Europa bevorstehen, da übergreifende Diskussionen, aber auch Thematisierungen von Einzelfragen in der Ö ffentlichkeit in erstaunlich geringem Maß stattfinden. Die lautlose Durchsetzung des Job-Activ-Konzepts, ist dafür nur ein Beispiel. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe soll nun in Kürze, selbstverständlich erst nach der Bundestagswahl, verabschiedet und bereits 2004 ebenso lautlos eingeführt werden. Zudem scheint es über den Weg, den der Sozialstaat gehen soll, einen ungeschriebenen parteiü bergreifenden Konsens zu geben, da eine Opposition im Wortsinne nicht in Sicht ist. Darum war ebenfalls Ziel der Veranstaltung, in Arbeitsgruppen und Informationsnetzen den Grundstein für eine Basisopposition in Schleswig-Holstein zu legen.

Wolfram Otto von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen (BAG-SHI) informierte zunächst in einem ausführlichen Referat über Ausmaß und Einzelheiten der Verä nderungen. Die anstehende Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und deren weitreichende Folgen für Löhne, Rentenansprüche und Familien, die Ausweitung von Leiharbeit auf Niedriglohnniveau, die Aushebelung des Bedarfsdeckungsprinzips in der Sozialhilfe und Ausweitung der Zwangsarbeit seien hier nur als Eckpunkte einer gewollten Neuverortung des Sozialstaats auf Minimalniveau genannt, die Armut auf allen gesellschaftlichen Ebenen in neuer Qualität institutionalisieren will.

Das Konzept bedeutet, daß ab dem Jahr 2004 bei Arbeitslosmeldung ein Arbeitslosengeld für etwa ein Jahr geleistet wird. S ind die betroffenen Arbeitslosen danach weiterhin arbeitslos, werden sie nicht mehr wie derzeit Arbeitslosenhilfe beziehen, sondern ab sofort Sozialhilfeempfänger sein. Verschärft sollen Sozialhilfeempfänger zu allgemeinen Arbeitsprojekten herangezogen werden, auch gemeinnützige und nicht mehr zusätzliche Jobs, mit einer Aufwandsentschädigung von zwei DM werden angesteuert. Wer hier nicht mitmacht –dem drohen vermutlich, auch hier wird schon laut darüber nachgedacht, die Einweisung in sogenannte Zwangsunterküfte –Hier sei die Frage gestellt, hatten wir das nicht schon einmal in Deutschland? Die politischen Vorhaben finden derzeit breite Zustimmung bei der derzeitigen Regierung, der FDP als auch der CDU/CSU.

In der anschließenden Diskussion wurde zunächst versucht, Nachfragen zu diesem großen und unüberschaubaren Themenkomplex zu klären. Ausgehend von vielen Einzelfällen wurden dann weitere Aspekte der Problematik erörtert. Um Gespräche und eine Opposition aufzubauen und weiterzuführen, erklärte sich nach der Veranstaltung rund die Hälfte der TeilnehmerInnen aus ganz Schleswig-Holstein an weiterer Information und Beteiligung interessiert.Es bliebe zu wünschen, dass ein hinreichend großer Protest aus der gesamten Bevölkerung gegen diese geplanten Einsparungen erfolgt.

Zunehmend haben Politik und Wirtschaft uns Bürger in die Fachidiotie geführt (und wir haben uns dahin führen lassen). Sie brachte spezielle Fähigkeiten in spezielle Richtungen fü r spezialisierte Arbeitnehmer. Wer soll da noch den Überblick behalten –brauchen wir doch nicht, funktionieren wir gut. Leiten wird uns schon immer wer. Fragen wir nach dem Wohin? Wie oft lassen wir uns doch gut führen und leiten. Dieses ist wichtig für viele Menschen, da sie es nicht allein schaffen können, doch geschieht es meiner Meinung nach zunehmend weniger in Würde. Aber es lassen sich gebildete Bü rger oft genug genauso gut lenken. Lassen wir alle uns nicht zunehmend einlullen von den Sicherheitsaspekten, von der Werbewirksamkeit, von Seifenopern aus dem Fernsehen? Heißt doch das nun angelaufene eine Projekt verschiedener Sozialämter nicht gar MoZart?

Als Bonbon für Erwerbslose wolle sich die Bundesanstalt vermehrt um Erwerbslosen bemühen. Fraglich ist hier allerdings, ob sich Sozialämter und Arbeitsämter vermehrt um die Überwachung und Unterbringung in allgemeine Arbeitsmaßnahmen zu kümmern haben werden, oder ob tatsächlich neue Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt geschaffen werden.

Ebenfalls ist sehr fraglich, wie mit vorhandenen persönlichen Daten von Erwerbslosen umgegangen wird, denn es wird zu einem erweiterten Datenaustausch kommen; nicht nur bei der inneren Sicherheit. Eine Sozialhilfedatenabgleichsverordnung ist lange in Vorbereitung. Eine digitale Akte wird erprobt. Auch die Finanzämter werden in den Datenabgleich mit einbezogen, um den Staat vor Missbrauch zu schützen.

Aber wer schützt den Bürger vor diesem Staat?

(u.l.)

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